Schwarze Schilde
Shazad sah, wie sich die Shasinnspeere hoben und senkten, und dass bei jedem Schlag Blut vergossen wurde. Es dauerte geraume Zeit, bis ihr bewusst wurde, dass der eigenartige, halb erstickte Laut im Hintergrund die Stimme ihres Vaters war, der sie beim Namen rief.
»Tochter!«
Mit weit aufgerissenen Augen wandte sie sich ihm zu. »Was ist passiert, Vater? Warum fliehen sie? Es besteht kein Grund zur Panik. Wir sind ihnen zahlenmäßig doppelt überlegen!«
»Bei einer Schlacht herrscht entweder Blutrausch oder Furcht. Ihr Mut verließ sie, als die Wilden nicht – wie erwartet – davonliefen. Die Furcht stellte sich ein, als die Flanken sich schlossen und sie einkreisten. Das hat nichts mit Vernunft zu tun. Genug davon, wir haben keine Zeit für lange Belehrungen. Reite zurück!«
»Du musst mich begleiten, Vater.«
»Wie kann ich die Hauptstadt nach dieser Schande betreten?«
»Sei nicht albern!« schrie sie wütend. »Sie haben eine kleine Schlacht gegen eine schlechte Armee gewonnen! Du besitzt fünfmal so viele Soldaten im ganzen Land. Du hast Verbündete. Ruf sie alle zusammen, und dann kommst du zurück und zerquetschst diese Wilden!«
Langsam und zögernd stahl sich ein Lächeln über seine Lippen.
»Meine Tochter besitzt mehr Rückgrat als meine Soldaten! Ich folge dir, aber niemand soll sagen, ich sei geflohen, während meine Männer noch auf dem Schlachtfeld kämpfen.«
»Die meisten von ihnen liegen in Kürze auf dem Schlachtfeld«, verbesserte sie ihn. »Beeile dich, Vater.«
Sie ritt zum Anführer seiner Leibwache hinüber, der die Geschehnisse mit wachsbleichem Gesicht verfolgte. Als ihr Knie das seine berührte, versetzte sie ihm eine Ohrfeige. Ihre Handfläche brannte, und sie schlug erneut zu, diesmal mit dem Handrücken, so dass ihre Ringe ihm die Wange bis fast auf den Knochen aufschlitzten.
»Hör zu, du Narr! Auf Befehl meines Vaters reite ich zur Hauptstadt zurück. Geleite ihn fort von hier und folgt mir. Wenn ihr später als eine Stunde nach mir eintrefft, lasse ich jedem einzelnen Mitglied der Leibwache die Haut bei lebendigem Leibe abziehen. Dann lasse ich sie gerben und zu einem Baldachin zusammennähen, damit sich die nächsten Wachen immer an ihre Pflichten erinnern! Hast du mich verstanden?«
Der Mann verneigte sich tief im Sattel. »Euer Befehl wird befolgt, Prinzessin!«
Zufrieden entfernte sich Shazad. Die Männer wussten, dass sie keine leeren Drohungen aussprach. Außerdem wollten sie nichts lieber, als das Schlachtfeld verlassen. Sie entdeckte ihre Reittiere bei den Ersatzcabos und ergriff den Führzügel des Leittieres. Ehe sie sich auf den Heimweg machte, schaute sie noch einmal zur Hügelkuppe hinüber. Mit einer Deutlichkeit, die sich zuweilen bei großen seelischen Aufregungen einstellt, erkannte sie eine kleinere Gestalt, die jetzt neben dem Shasinnkönig stand. Er hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt. Das musste die Königin sein. Da er ein ungewöhnlicher Mann war – wie mochte sie wohl sein? Shazad durchfuhr ein Schmerz, als habe sie ein Shasinnspeer getroffen, und ihr wurde bewusst, wie sehr sie die Frau beneidete.
Schluchzend und fluchend ritt sie davon.
Von seinem Aussichtsplatz beobachtete König Gasam, wie seine Männer die Feinde niedermetzelten. Die eine Hand hielt den Speer, die andere hatte er um Larissas Schultern gelegt, und nichts ließ darauf schließen, wie aufgewühlt er innerlich war. Nur die Königin begriff, was in ihm vorging und wusste, dass ihr und vielleicht auch einigen Sklavinnen eine bemerkenswerte Nacht bevorstand. Nach der Schlacht wurde aus Gasam gewöhnlich eine bewundernswerte und furchterregende Kreatur. Sie streichelte ihn durch den roten Lendenschurz, aber sein schmerzhafter Griff an ihrer Schulter befahl ihr, sich zurückzuhalten.
»Später, kleine Königin. Jetzt möchte ich meinen Sieg auskosten.«
»Ein überwältigender Sieg, mein König.« Im Tal sahen sie, wie die Verbündeten die fliehenden Fußsoldaten verfolgten. Die Berittenen waren längst verschwunden, und die reiterlosen Cabos wurden sorgsam zusammengetrieben.
»Nur der erste von vielen«, versprach er ihr.
»Sind viele entkommen?« Sie war erst gegen Ende des Kampfes eingetroffen. »Hättet ihr sie nicht vollständig einkreisen können?«
»Natürlich«, antwortete er lachend. »Selbst der langsamste meiner Krieger ist schneller als diese bewaffneten Schildkröten. Aber bei einer Einkesselung hätten sie mit dem Mut der Verzweiflung gekämpft.
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