Schwarze Schilde
Schließlich stießen sie die Ruder senkrecht hinab, und das Boot hielt an. Die Ruder blieben auf einer Seite ruhig im Wasser liegen, während sie auf der anderen herumwirbelten und das Schiff sich um die eigene Achse drehte.
Auf ein Zeichen von Gasam legten vier große Boote vom Pier ab und ruderten davon. Ein jedes maß ungefähr ein Sechstel der Galeere und hatte auf jeder Seite fünf Ruder. Das Schiff jagte ihnen nach. Dank seiner großen Besatzung holte es die kleineren Boote ein, aber jedes Mal, wenn es eines überholen wollte, drehte das Boot bei und änderte die Richtung. Immer wieder verlor die Galeere Zeit, da sie erst die Geschwindigkeit verringern musste, um den Kurs zu ändern.
»Es verhält sich so, wie ich dachte«, sagte Gasam. »Das Kriegsschiff ist schneller, aber unbeweglicher.«
»Die Boote wären viel schneller, wenn sie nicht so viele Männer an Bord hätten«, entgegnete die Königin.
»Jene Männer stellen die Krieger dar, die im nächsten Jahr von den Inseln nachkommen«, erklärte der König. »Ich will sichergehen, dass sie die Blockade durchbrechen können. Die großen Kriegsschiffe sind noch langsamer als unseres.«
»Aber wenn sie es merken, werden sie doch auch kleinere Boote einsetzen, nicht wahr?«
»Bis dahin sind die meisten meiner Krieger schon hier. Im nächsten Jahr besitze ich eine Marine, die zumindest jede Blockade des Hafens verhindern kann. Sieh nur!« Er winkte, und ein hochgewachsener Krieger schwenkte ein großes rotes Banner hin und her.
Auf dieses Zeichen hin machten die Boote kehrt und griffen die Galeere an. Jedes versuchte, eine gute Position am Heck des Schiffes zu ergattern, aber dabei gerieten sie einander immer wieder in die Quere. Die Menge an Land jubelte, als die Krieger auf beiden Seiten mit stumpfen Speeren und ungefährlichen Kriegskeulen um sich hieben. Statt des üblichen Steines, der an einer Kette von den echten Keulen herabbaumelte, waren diese Waffen mit bunten Kugeln aus Stoff versehen. Stumpfe Pfeile flogen vom Schiff auf die Angreifer herab. Jede Waffe war mit einer Farbe behandelt worden. Wenn der ›Kampf‹ vorüber war, sollten die Teilnehmer untersucht werden, um herauszufinden, welche Waffen den größten Schaden angerichtet hatten. Die älteren Krieger auf dem Schiff und in den Booten hatten darauf zu achten, welche Waffen am wirkungsvollsten eingesetzt werden konnten.
»Das müssen wir noch gründlich üben«, bemerkte der König grinsend. »Die Boote sind gut, müssen aber beim Angriff besser zusammenarbeiten.« Er stimmte in das schallende Gelächter der Umstehenden ein, als ein riesiger Krieger kopfüber ins Wasser fiel und wild mit den Armen um sich schlug, weil er vergeblich versuchte, das Gleichgewicht zu behalten.
»Sie brauchen kleinere Schilde, Hoheit«, riet ein Asasahäuptling, der hinter Gasam stand. »Sie stolpern über die großen Schilde.«
»Nein«, widersprach ein anderer. »Die großen Schilde schützen die Boote vor dem Pfeilhagel. Jene, die auf den Booten bleiben, brauchen große, aber diejenigen, die entern, sollten kleine bekommen.«
»Sehr gut gesprochen, alle beide«, lobte sie der König. »Ich denke, wir brauchen auch mehr Kurzschwerter. Seht nur, die Männer im Boot können die Speere gegen die Besatzung des Schiffes, die an der Reling lehnt, einsetzen. Wenn sie aber an Bord gehen, sind die Waffen zu lang für den Nahkampf.«
Larissas Gedanken schweiften ab. Männer lehnten es, die Einzelheiten eines Gemetzels zu erörtern. Draußen im Hafen erklangen Jubel und Geschrei. Sie spielten herum wie kleine Kinder, aber die Übung war für den Ernstfall gedacht. Dann würde Blut vergossen werden. Auch dabei benehmen sich Männer wie Knaben, dachte sie. Die Schlacht war nur eine weitere Stufe der Machtspiele, die sie unter den zärtlichen Blicken der Eltern ausgetragen hatten. Es ging hier weder um Klugheit noch um Kunstfertigkeit.
Seit Monaten hatte sie den Erzählungen ihrer Sklavin Dunyaz gelauscht, die vom Leben an den vornehmen Höfen anderer Länder berichtete. Dort lebten die Edelleute für ihr Vergnügen und ihre Intrigen. Gasam fand das grässlich, aber ihr gefiel es, davon zu hören. Warum sollte man die ganze Welt erobern, wenn man anschließend weiterhin das öde Leben eines Inseldorfbewohners führte?
Gasam liebte die Macht um ihrer selbst willen. Larissa liebte die Macht, weil sie ihr Vorteile verschaffte. Natürlich war es auch ein Vergnügen, andere Menschen zu beherrschen, aber das schien
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