Schwarze Schilde
ihr zu wenig. Mit der Zeit wurde es langweilig, die Leute auf dem Bauch kriechen zu sehen. Die Damen an den Königshöfen genossen unzählige Ablenkungen. Dunyaz hatte ihr einige davon näher gebracht: milde Drogen, die Glücksgefühle verursachten, Liebesspiele, von denen man auf den Inseln nicht einmal zu träumen wagte. Am besten aber gefielen ihr die Intrigen. Keine Frau ihres Volkes hatte je so viel Ansehen genossen wie Larissa, aber das lag daran, weil Gasam sie zur Frau genommen hatte. Wenn die Insulaner sie verehrten, sahen sie darin eine ausgedehntere Huldigung Gasams. In Wahrheit achteten sie nur Kraft und Kriegertugenden. Durch Intrigen konnte Larissa wahre Macht ausüben.
»Vielleicht solltet Ihr mit einigen Damen an Pashirs Hof Verbindung aufnehmen, Herrin«, hatte Dunyaz vor ein paar Wochen vorgeschlagen. »Und mit Edelfrauen aus Chiwa und Omia.«
Larissa dachte darüber nach. »Mein Gemahl befindet sich mit Pashir im Krieg. Es könnte als Verrat ausgelegt werden.«
Dunyaz lachte – die Königin hatte es ihr erlaubt, wenn sie allein miteinander waren. »Aber Herrin, das spielt gar keine Rolle. Der Krieg ist Männersache und hat mit den Beziehungen der Frauen überhaupt nichts zu tun. Sehr häufig, wenn die Kriege entschieden sind, besiegeln Sieger und Besiegte ihre neuen Bündnisse, indem sie Söhne und Töchter miteinander vermählen.«
Larissa strich über das dunkle Haar der Sklavin. »Und wem sollte ich Briefe schicken?«
»Zuerst einmal meiner Base, Prinzessin Shazad. Sie ist die einzige Dame, die Euch fast gleichrangig ist. Sie ist sehr klug. Ihr Vater ist alt, und er hat schon eine Schlacht gegen Euren Gemahl verloren. Es würde mich nicht überraschen, wenn ihr daran gelegen ist, sich gut mit Euch zu stellen.«
Larissa hütete sich, Gasam zu hintergehen und fragte ihn um Erlaubnis.
»Wenn du es möchtest«, antwortete er. »Bald mache ich sie zu deiner Sklavin, deshalb kannst du sie ruhig vorher kennen lernen. Was glaubst du, von ihr erfahren zu können?«
»Da sie die erste Dame des Hofes ist, bekomme ich vielleicht Tratschgeschichten zu hören, die mir keiner meiner Spione mitteilen kann.«
»Wenn sie nicht dumm ist, wird sie dir nur schreiben, was sie für richtig hält. Unter Umständen schreibt sie sogar Unwahrheiten, die ihr zum Vorteil gereichen.«
»Ich denke, dass ich die Wahrheit zwischen den Zeilen herauslesen kann«, versicherte sie ihm.
»Dann tu, was du für richtig hältst. Was deine Spione betrifft: Prüfe immer wieder nach, ob deine Worte auch so weitergegeben werden, wie du es wünschst, und alle Briefe, die du erhältst, sollen dir von mehreren Schriftkundigen vorgelesen werden.«
»Das habe ich auch vor. Vielleicht sollte ich das Lesen lernen. Es kann nicht sehr schwierig sein.«
»Wenn es dir Spaß macht«, antwortete Gasam zustimmend.
Bisher kam sie nicht allzu schnell voran. Die Schriftgelehrten sagten ihr, Lesen erlerne man am leichtesten als Kind. Trotzdem gab sie nicht auf und fand Vergnügen daran, ihren Verstand zu üben. Sogar die Landkarten blieben ihr nicht länger ein Rätsel. Die Welt war ein bedeutend schwierigerer Ort, als sie sich je hatte vorstellen können. Städte waren nicht einfach zu groß gewordene Dörfer, sondern feste Gefüge, bestehend aus Politik und Handel, wo Priester und Kaufleute ebenso wichtig wie Krieger waren. Sie waren beständig, und das lag nicht allein an althergebrachten Traditionen. Die Länder waren Erweiterungen der Städte und blieben trotz wechselnder Herrscher und verschiedener Dynastien über Jahrhunderte hinweg bestehen. Manchmal wachte sie in der Morgendämmerung auf und fragte sich, ob Gasams Eroberungen nicht bloß einen kleinen Zwischenfall in der langen Geschichte der Welt darstellten.
Meine liebe Schwesterkönigin Larissa, begann der Brief. Ich kann Euch nicht sagen, wie groß meine Freude über den Erhalt Eures Schreibens war. Bisher wart Ihr eine geheimnisvolle Gestalt, die im Schatten dieses beeindruckenden Mannes, Gasam, verborgen blieb.
Der König lächelte, als Dunyaz diesen Satz vorlas.
»Es fällt mir schwer, mir dich im Schatten irgendeines Menschen verborgen vorzustellen, kleine Königin«, sagte er und kniff Dunyaz sanft in den Arm, als wolle er das Fleisch eines zum Schlachten bestimmten Kaggas prüfen. Die Sklavin erbebte.
Übrigens bin ich Eurem Gemahl schon einmal begegnet, als er meinem Vater jenes erstaunliche Ultimatum stellte, ehe die verhängnisvolle Schlacht
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