Schwarze Schmetterlinge
sammeln und zu konzentrieren. Das Feuer leckte an den Wänden hoch und flog zum Dach hinauf. Die Hitze war noch auszuhalten, aber der Rauch war erstickend. Selbst wenn sie sich ins Boot legte oder sogar in das eiskalte Wasser, würde der Rauch sie am Ende umbringen. Draußen war eine bewaffnete Feindin. Sie würde sicherlich damit warten, mit der Dienstwaffe zu schießen. Die Munition konnte aufgespart werden.
»Was willst du damit erreichen?«, rief Maria, war aber nicht sicher, ob ihre Stimme das Knistern des Feuers übertönte. Sie hockte sich neben die Wasserrinne und sah auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten, bis die Polizei hier sein würde. Sie tastete in ihrer Jackentasche nach dem Handy und merkte, dass sie es auf dem Weg zum Bootshaus verloren hatte. Verdammt! Sie schaute zu den Dachbalken hinauf. Wie lange würde es dauern, bis sie wie tödliche Kloben herunterfielen? Wie lange würde es dauern, bis der Rauch sie ersticken würde?
49
Wie in Trance kehrte Per vom Treffen mit Eva Bäckström zum Haus seiner Eltern in Kronviken zurück. Die Apfelbäume streckten ihre nackten Äste gegen den dunkelgrauen Himmel. Die Schneebeeren leuchteten seltsam weiß auf den nackten Zweigen. Per Arvdisson stand still und betrachtete das alles, während ihm das Leben wie ein Strom sinnloser Zeit durch die Finger rann. Er nahm die Post aus dem überfüllten Briefkasten und legte sie auf den Küchentisch, aber er schaffte es nicht, sie zu sortieren, ebenso wenig, wie er es geschafft hatte, die Abonnements all der zahlreichen Zeitungen, die der Vater seit Jahrzehnten abonniert hatte, zu kündigen.
Wie hatte er auch nur einen Moment lang glauben können, dass Felicia diese schrecklichen Mordbrände begangen haben könnte? Er wusste es nicht. Er nahm das Handy, um Lena Ohlsson anzurufen. »Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar«, sagte eine Frauenstimme vom Band. Vielleicht war sie wieder unterwegs und suchte nach ihrer Schwester. Was für ein seltsames Leben sie doch lebten, Lena und ihre Schwester. Per konnte Paula vor sich sehen, die kleinen Augen, die ihn misstrauisch betrachteten. Lena hatte versprochen, sich um ihre Schwester zu kümmern. Sie darf so lange bei mir wohnen, wie sie will. Sie hatte ihrer Mutter versprochen, die Verantwortung für sie zu übernehmen. Wie kann man einem jungen Mädchen ein derartiges Versprechen abnehmen?
Per beschloss, heiß zu duschen. Die Narben an den Waden, die er als Kind von einer Brandverletzung zurückbehalten hatte, an die er sich aber nicht erinnern konnte, schmerzten. Sicherlich würde das Wetter umschlagen. Das heiße Wasser streichelte seinen Körper wie eine tröstende Hand und ließ die Haut auf den Beinen flammend rot werden. Britt hatte die Verletzungen damit erklärt, dass er sich im Alter von zwei Jahren heiße Schokolade übergegossen habe. Folke sagte, er habe zu nahe am Walpurgisfeuer gestanden, und seine Hosenbeine hätten angefangen zu brennen. Er selbst hatte offenes Feuer immer als erschreckend und bedrohlich empfunden. Noch als Neunjährigem war es ihm schwergefallen, mit einer Streichholzschachtel umzugehen. Nun würde er nie mehr erfahren, wie es sich eigentlich mit den Brandnarben verhielt, die er an den Beinen hatte. Einer von seinen Eltern hatte die Unwahrheit gesagt.
Als Folkes Beerdigung geregelt werden sollte und man die Entscheidung zwischen Erdbegräbnis und Feuerbestattung treffen musste, hatte Per starke Vorbehalte gegen eine Feuerbestattung gehabt. Allein beim Gedanken daran, dass Folkes Körper in Flammen aufgehen würde, hatte er überreagiert. Vielleicht hatten ihm Britts ständige Ermahnungen den Spaß am Feuer genommen.
In Folkes gestreiftem Bademantel machte er sich eine Tasse Schokolade und nahm seine Dokumententasche mit den wenigen Dingen, die Helen hinterlassen hatte, zur Hand. Ein paar alte Schellackplatten, Briefe, Fotos, bezahlte Rechnungen und eine Taufurkunde. Ganz unten am Rand stand ein Bibelzitat, das nachzuschlagen er sich noch nicht die Zeit genommen hatte. Erstes Buch der Könige, 3,16-28. Er stand auf, ging zum Bücherregal, holte die Familienbibel und las den Text über Salomo, der mit seinem Schwert bereitstand, um ein Kind in zwei gleiche Teile zu teilen. Zwei Mütter und ein Kind – wer war die wahre Mutter? Eine der Frauen flehte den großen Richter an, lieber der anderen Mutter das Kind zu geben, als ihm etwas anzutun. Was hatte Helen damit sagen wollen? Bedeutete es, dass Helen
Weitere Kostenlose Bücher