Schwarze Schmetterlinge
finden.«
»Ist schon in Ordnung. Wenn Sie wollen, machen wir Ihnen hier drin ein Bett. Ein Feldbett ist alles, was wir bieten können. Wenn Sie Hunger haben, machen wir Ihnen später, wenn es auf Station etwas ruhiger geworden ist, gern Kaffee und ein paar Brote.«
»Danke.« Als Per Folkes Arm berührte, schlug dieser die Augen auf, und sein Blick irrte umher. Die Hände tasteten über die Bettdecke und kriegten den Schlauch vom Tropf zu fassen. Binnen Sekunden hatte er ihn um sein Handgelenk gewickelt und es geschafft, die Nadel herauszuziehen. Das Blut rann über die Hand und auf die weiße Bettwäsche. Folke jammerte laut. Blitzschnell war er auf dem Weg aus dem Bett heraus. Die andere Hand packte den Schlauch vom Urinkatheter. Per konnte gerade noch verhindern, dass Folke ihn herauszog.
»Hast du Schmerzen?« Per kriegte die Klingel zu fassen. Es dauerte einige Minuten, bis jemand kam. Die Schwester klebte schnell ein Pflaster auf die Einstichstelle, legte eine Morphiumtablette auf Folkes Tisch und verschwand wieder auf dem Flur. Es sei gerade ein Patient eingeliefert worden, dem es sehr schlecht gehe und um den sie sich kümmern müsse. Per setzte sich auf die Bettkante und versuchte, Folke Wasser einzuflößen. Er bekam es in die falsche Kehle, hustete und rang nach Luft.
»Hilf mir! Ich will nicht mehr. Ich kriege keine Luft.« Wieder die Klingel. Einer der Weißkittel kam hereingerannt und verschwand wieder, um die Schwester zu rufen. Dann kam er zurück und erhöhte die Sauerstoffzufuhr. Folke verhedderte sich mit den Beinen im Katheterschlauch, schlug das Wasserglas beiseite, sodass es auf dem Boden zersprang. »Hilf mir!« Die Augen, die gar nichts mehr zu sehen schienen, traten aus dem Kopf hervor. Per hielt ihn im Arm, um zu verhindern, dass er sich noch mehr wehtat. Drückte wieder auf die Klingel.
»Ich kriege die Tablette nicht in ihn rein.« Die Schwesternhelferin verschwand auf dem Flur und kam in dem Moment zurück, als Per erneut die Klingel betätigen wollte.
»Die Schwester ist gerade nicht abkömmlich. Sie kommt, sobald es geht.« Per versuchte es wieder mit der Tablette. Folke behielt sie im Mund, schluckte aber nicht. Damit er sie nicht in die falsche Kehle bekam, holte Per sie wie bei einem kleinen Kind mit dem Zeigefinger wieder heraus.
»Hilfe! Ich will nicht mehr leben. Per, ich will nicht mehr!« Folkes Blick war jetzt ganz nah und wild. Seine Augen waren rot. Der Atem ging immer schneller. »Es tut so weh! So entsetzlich weh. Sie haben versprochen, dass ich keine Schmerzen haben muss!« Er wand sich und war drauf und dran, sich wieder aus dem Bett zu kämpfen.
»Die Schwester kommt gleich und setzt eine neue Braunüle.« Per klingelte wieder und erhielt dieselbe Antwort wie schon zuvor. Die Schwester sei zusammen mit dem Narkosearzt bei einem Patienten, dem es sehr schlecht gehe. Eigentlich müsste es zwei Nachtschwestern geben, aber die andere Stelle sei aufgrund von Sparmaßnahmen gestrichen worden.
Langsam bewegte sich die Nacht in Richtung Dämmerung. Nach einer höllischen Stunde tauchte sie auf. Setzte eine neue Braunüle und spritzte Morphium.
»Es gibt keinen besseren Vater als dich. Du bist der beste«, flüsterte Per in Folkes Ohr und lehnte sich dann zurück. Die Müdigkeit brannte im Körper. Ihm war, als sei nur ein kleiner Moment vergangen, als er mit einem Ruck erwachte. Die Nachtschwester hatte die Tür einen Spalt aufgemacht und ließ den Lichtkegel der Taschenlampe über Folkes Gesicht gleiten, um zu sehen, ob die Sauerstoffmaske richtig saß. Dann fiel wieder die sanfte Dunkelheit über das Zimmer.
Gegen halb vier erwachte Per von einem lauten Rums. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, wo er sich befand, und noch einmal ein paar Sekunden, ehe er den Lichtschalter fand. Folke lag splitternackt auf dem Fußboden. Der Schlauch vom Katheter, der am Bett befestigt war, war bis zur Schmerzgrenze gespannt. Die Sauerstoffmaske lag im Bett, ebenso Folkes Nachthemd.
Die Nacht ging langsam in den Tag über. Die Weißkittel wechselten die Gesichter. Ein neuer Morgen, sonnig und satt von den Farben des Herbstes, suchte sich einen Weg durch das Fenster. Folkes Atem erfüllte den Raum, Atemzug für Atemzug, rasselnd und langgezogen. Lange Zwischenräume, ein schweres Seufzen und dann mehrere Atemzüge hintereinander.
Die folgende Nacht war ebenso unruhig. Lass mich sterben, erspar mir das hier. Tage und
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