Schwarze Schmetterlinge
Fußboden. Das Kleid, das sie gestern angehabt hatte, lag zerknüllt am Fußende des Bettes.
Per wollte gerade in die Dusche steigen, als er Felicias Telefon klingeln hörte. Es dauerte eine Weile, bis er es unter ihrem Kissen fand. Sollte er rangehen? Er drückte den Knopf und dachte noch nach. Ehe er einen Beschluss gefasst hatte, hörte er eine tiefe Männerstimme.
»Ich weiß, wo du bist.«
»Dies ist der Apparat von Felicia Sjögren.« Am anderen Ende wurde es still. »Hallo? Hallo?« Ein klickender Laut, und das Gespräch war unterbrochen. Jemand, der mit Felicia sprechen wollte, ohne Namen und Anliegen anzugeben. Sollte er sie fragen, wer das war?
Per duschte rasch und setzte sich dann aufs Bett. Was sollte er tun? Wo mochte sie nur sein? Das hartnäckige Tönen des Martinshorns unten auf der Straße beruhigte ihn auch nicht gerade. Als er über eine Stunde gewartet hatte, erkundigte er sich an der Rezeption und erfuhr, dass Signorina Sjögren das Hotel ungefähr zwei Stunden zuvor verlassen habe, um zur Bäckerei um die Ecke zu gehen. Im selben Moment quietschte draußen der uralte Fahrstuhl, und da stand sie schon vor ihm, mit einer Papiertüte, aus der Gemüse quoll, und einem Brot im Arm.
»Ein wenig shoppen gewesen?« Er schämte sich für die vorwurfsvollen Gedanken, die er gehegt hatte, und versuchte, nicht zu verärgert zu klingen.
»Eigentlich habe ich eher gearbeitet. Ein kleines Mädchen hat sich übel verschluckt, als ich gerade im Laden war. Das hätte böse ausgehen können.«
»Was ist passiert?«
»Irgendein Idiot hat ihr eine Tüte Erdnüsse gegeben, einem kleinen Kind von ungefähr einem Jahr, mit zwei Zähnen oben und zwei unten. Sie saß in ihrem Wagen und hatte schon ganz blaue Lippen. Die Eltern haben nichts dabei gefunden. Keiner hat was gesagt. Ich habe sie aus dem Wagen gezerrt und übers Knie gelegt und ihr auf den Rücken geschlagen. Das hat nicht geholfen, und die Kleine wurde bewusstlos. Ich versuchte, sie künstlich zu beatmen, um die Erdnuss in die Bronchien zu pusten. Sie wurde blau im Gesicht, und da habe ich ein Taschenmesser und einen Strohhalm genommen und einen Luftröhrenschnitt gemacht. Sie hat es geschafft. Hast du den Krankenwagen gehört?«
»Ja, klar. Du hast ihr in den Hals geschnitten?«
»Ich hatte keine andere Wahl.«
»Ich weiß nicht, ob ich mich das getraut hätte.«
»Du bist ja auch kein Arzt. Jedenfalls lebt sie. Ich habe ein sehr schmales Taschenmesser genommen. Ich weiß, was ich tue. Ein Strohhalm reicht sogar für einen Erwachsenen aus, um genug Luft zu kriegen. Die Eltern wussten gar nicht, wie sie mir danken sollten. Sie wird es schaffen.«
»Und warum bist du nicht mit dem Krankenwagen mitgefahren?«
Felicia antwortete nicht. Sie ließ die Tüte auf seine Füße fallen, ihre Augen funkelten schwarz. So wütend hatte er sie noch nie gesehen.
»Entschuldige, Felicia. Ich wollte nicht infrage stellen, was du getan hast«, sagte er und versuchte, sie in den Arm zu nehmen, aber sie stieß ihn von sich.
»Ich habe Brot gekauft und wollte dich zum Frühstück im Bett einladen. Wenn das etwas taugt, was ich gekauft habe. Wenn ich überhaupt für dich tauge. Vielleicht muss es ja eine blonde Kriminalinspektorin sein, die Haferbrei kocht und Kindern die Nase putzt, damit das Frühstück für dich recht ist.«
»Warum redest du denn so, Felicia?«
»Weil du so leicht zu durchschauen bist. Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du nie was mit Maria Wern gehabt hast, dass du nie scharf auf sie warst. Ich habe doch gesehen, wie du sie mit deinem Blick schier aufgefressen hast. Spielt es irgendeine Rolle, was ich tue? Wer bin ich für dich? Ein Ersatz? Ich fühle mich unterschätzt und infrage gestellt.«
Er holte tief Luft. Ihr Angriff kam völlig unerwartet. Maria hatte ja wohl nichts mit der Sache zu tun.
»Ich liebe dich, Felicia. Ich will mit dir zusammen sein, mit niemandem sonst. Ich bin nie mit Maria Wern zusammen gewesen. Aber ich wollte es, früher einmal, das will ich nicht leugnen, das war aber, ehe ich dich kennenlernte. Sie war nicht zu haben. Sie ist verheiratet, und das wird sie auch bleiben. Als wir uns in dem Restaurant getroffen haben, da hatte ich sie fast zehn Monate nicht gesehen. Sie sah krank und blass aus. Deshalb habe ich sie angestarrt. Irgendwie hätte ich ihr gern von dir und mir erzählt, ehe ich dich ihr vorstelle. Was anderes war es
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