Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)
Strich unter das ganze Elend ziehen.
Er nickte noch einmal und schaute seinem Vater diesmal ins Gesicht.
»Tomme«, sagte der Vater und erwiderte den Blick. »Ich muß dir eine Frage stellen. In einem ganz anderen Zusammenhang.«
Tommes Blick wurde wachsam, und sein junger Körper verhärtete sich. Er machte sich ein wenig an der Tastatur zu schaffen.
»Du treibst dich wieder bei Willy herum«, sagte sein Vater. »Und du weißt, daß uns das überhaupt nicht recht ist.«
»Aber der Wagen«, sagte Tomme.
»Ja. Aber der ist jetzt ja fertig.«
»Er ist ganz toll«, sagte Tomme zufrieden.
»Dann gehe ich davon aus, daß eure Wege sich jetzt endgültig trennen«, sagte Sverre.
»Dieser Autodiebstahl ist jetzt mehrere Jahre her«, wandte Tomme ein. »Werdet ihr ihm den sein Leben lang vorwerfen?«
»Nein«, sagte sein Vater. »Aber so lange es sein muß. Du hast doch andere Freunde. Wir wollen jetzt ein wenig Ordnung schaffen. Es ist soviel passiert. Von jetzt an wünschen wir klare Verhältnisse.«
Schweigen senkte sich über das Zimmer. Tomme wollte seinen Vater nicht mehr ansehen.
»Und dieser Unfall mit dem Opel«, sagte der Vater jetzt. »Du hattest doch hoffentlich nicht getrunken?«
»Ob ich was hatte?« fragte Tomme leise.
Sein Vater musterte ihn eindringlich. Das schwache Summen des Bildschirms war zu hören, zusammen mit Ruths angespanntem Atem.
»Du hast die Frage gehört«, sagte der Vater leise. »Warum fährst du übrigens mitten in der Nacht noch durch die Gegend? Warum kommst du nicht nach Hause? Das wundert mich nun wirklich«, erklärte er. »Und deshalb frage ich.« Er legte eine Pause ein. »Marion sagt, daß du nachts weinst«, fügte er dann hinzu. »Macht dir irgend etwas zu schaffen?«
Jetzt riß Tomme die Augen auf. Und holte tief Luft.
»Das ist doch der pure Blödsinn!« rief er.
»Sie sagt es aber. Daß sie dich hört.«
»Ist das vielleicht verboten?« fragte Tomme. Er kehrte dem Vater den Rücken zu und starrte wütend den Bildschirm an.
»Natürlich nicht«, sagte der Vater ein wenig sanfter. »Ich frage doch nur. Und vielleicht kannst du mir dann auch antworten.«
Wieder dieses Schweigen und das Summen des Bildschirms. Ruth zitterte wie Espenlaub, wußte aber nicht, warum. Sie hörte, wie ihr Sohn sich erhob. Er stand jetzt vor seinem Vater, war zehn Zentimeter kleiner.
»Ich muß weg«, sagte er trotzig.
»Du bist doch eben erst nach Hause gekommen«, wandte Sverre ein. »Warum bist du so wütend?«
»Ich bin nicht wütend«, sagte Tomme und wollte an ihm vorbei. »Aber ihr nervt so schrecklich.«
Der Vater vertrat ihm den Weg.
»Du bist uns eben wichtig«, erklärte er. »Ich wollte nur sichergehen, daß mit dir alles in Ordnung ist.«
Wieder versuchte Tomme, sich an ihm vorbei aus dem Zimmer zu drängen. Der Vater versperrte noch immer die Tür, stand schwer und breit wie ein Riegel davor. Ruth saß auf dem Bett und sah sie an. Sie hatte die Hände zwischen die Oberschenkel geschoben.
»Ida ist tot«, sagte sie in die Luft hinein. »Müssen wir uns da unbedingt streiten?«
Der Vater trat widerwillig von der Tür zurück. Tomme lief durch den Gang, sie hörten die Haustür ins Schloß fallen, dann wurde der Opel gestartet.
»Das ist alles zuviel«, sagte Ruth und schlug die Hände vors Gesicht. »Was soll nur aus Helga werden? Vielleicht muß sie dort liegenbleiben, im Krankenhausbett? Warum sollte sie aufstehen und weitermachen wie bisher? Ich würde das nicht tun«, sagte sie und wischte sich die Tränen ab. »Ich würde ganz einfach für den Rest meines Lebens liegenbleiben.«
Sverre setzte sich neben sie. Lange blieben sie so sitzen, in tiefem Schweigen. Der Computer strahlte ein blaues, schimmerndes Licht aus.
*
»W AS SAGT DAS L ABOR ?« fragte Skarre neugierig.
Sejer drehte sich langsam im Sessel um. Er hielt ein Fax in der Hand. »Mit der Decke hattest du recht«, sagte er. »Die ist mit synthetischem Material gefüllt. Die Federn, die wir an Decke und Nachthemd gefunden haben, stammen irgendwo anders her. Von einem Vogel vielleicht. Theoretisch kann das heißen, daß es einen Vogel in dem Haus gibt, in dem Ida in die Decke gewickelt worden ist.«
»Was für einen Vogel?« fragte Skarre sofort.
»Das können sie nicht sagen. Die Federn stammen vom Untergefieder. Anders als bei Haaren hat das keine Wurzeln und kann deshalb nicht zugeordnet werden. Es könnte sich sogar um Hühner handeln«, sagte er.
»Oder um einen Papagei«, meinte Skarre
Weitere Kostenlose Bücher