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Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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mit Bjørn nach Kopenhagen zu fahren. Die Mutter sagte ja. Schön, daß er wieder Kontakt zu Björn aufgenommen habe, fand sie. »Bjørn mag ich. Das ist ein netter Junge. Und du mußt hier mal rauskommen.« Tomme nickte. Bjørn hatte versprochen, ihn im Notfall zu decken. »Mir bleibt kaum was anderes übrig, als mitzufahren«, hatte Tomme ihm erklärt. »Willy hat den Wagen für mich repariert. Und er will auf keinen Fall allein fahren.«
    Am Nachmittag des 20. September drängte sich eine endlose Schlange vor dem Eincheckschalter der »MS Pearl of Scandinavia«. Sie hatten den Bus zum Hafen genommen. Keiner von beiden wollte seinen Wagen am Wochenende in Oslo stehen lassen. Beide trugen ihre Taschen über der Schulter. Tomme hatte eine blau-rote von Adidas, Willy eine schwarz-weiße von Puma. Die Taschen waren ungefähr gleich groß und enthielten ungefähr das gleiche. Zahnbürste. Einen Pullover zum Wechseln. Windjacke. Später starrte Tomme in die Kabine. Er fand sie schrecklich.
    »Fast wie ein Grab«, murmelte er und sah sich mißmutig in dem engen Raum um.
    »Wir wollen doch nicht hier rumsitzen«, sagte Willy begeistert. »Wir gehen in die Bar, oder was?«
    Sie ließen die Taschen auf den Boden fallen und suchten sich den Weg zur Bar. Die Nachrichten hatten für das Wochenende Sturm gemeldet, Willy fand das toll.
    »Ein Sturm, Tomme, das wär doch was, oder?«
    Tomme bestellte eine Halbe. Er wollte keinen Sturm. Er schaute über den Tisch hinweg Willy an. Dessen Oberlippe spannte sich, wenn er an der Zigarette zog. Er trank sein Bier in einem wilden Tempo. Tomme kam sich plötzlich allein vor, dem anderen ausgeliefert. Zu Hause war alles schon schwer genug, aber da hatte er immerhin sein eigenes Zimmer. Dort hatte er eine Wahl. Zwischen der vertrauten Wärme im Wohnzimmer mit den Plätzchen seiner Mutter. Und der Einsamkeit in seinem Zimmer, mit Videos oder Computer. Jetzt saß er hier mit Willy, und das würde bis Sonntag so bleiben.
    »Der Kahn wiegt vierzigtausend Tonnen«, teilte ihm Willy mit, er las noch immer in seiner Broschüre. Dann schaute er sich um und wies mit den Augen zuerst auf die Decke, dann aufs Meer. »Und hier ist Platz für zweitausend Menschen. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Ziemliche Katastrophe, wenn wir untergehen«, meinte Tomme und trank sein Bier in winzigen Schlucken. »Ich werd erst mal feststellen, wo die Schwimmwesten untergebracht sind«, sagte er. »Das mach ich lieber sofort.«
    »Spitzentempo einundzwanzig Knoten«, verkündete Willy. »Wieviel sind einundzwanzig Knoten?«
    Tomme runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Vielleicht vierzig Kilometer.«
    »Vierzig? Das klingt aber gar nicht schnell.«
    Willy starrte aus dem Fenster, hinaus auf die trägen grauen Wellen. Er umklammerte sein Bierglas mit beiden Händen.
    »Andererseits«, überlegte er, »wenn dieser Kahn hier mit vierzigtausend Tonnen durch die Wellen pflügt, mitten auf dem Meer, bei vierzig Stundenkilometern, und das vielleicht bei schlechtem Wetter – doch, das macht garantiert was her.«
    Er trank von seinem Bier. Er ist nervös, dachte Tomme. Er hat das schon oft gemacht, und immer ist es gut gegangen, aber jetzt ist er nervös. Und ich bin’s auch. Die Polizei war in seiner Garage, und er hat Schiß. Aber da haben sie nach mir gefragt. Vielleicht sind sie hinter uns beiden her. Ihn schauderte, und er trank einen Schluck Bier.
    »Und sonst?« fragte Willy und sah ihn von der Seite her an. »Hört ihr noch was von der Bullerei?«
    Tomme überlegte sich seine Antwort genau. Er wollte lieber nicht über seine Kusine Ida und all das reden, was passiert war. Aber es war auch schwer, es zu vermeiden.
    »Irgendein Hauptkommissar stand vor ein paar Tagen vor der Tür. Ein verdammter Turm von Mann.«
    In diesem Moment sah er Willy ins Gesicht. »Das ist der, der die Ermittlungen leitet. Ich hab ihn im Fernsehen gesehen.«
    »Der war auch bei mir in der Garage«, Willy nickte.
    »Er wollte alles über diese Beule im Auto wissen. Wie alles passiert ist und so.«
    Jetzt starrte er Willy an. »Sie hatten sogar die Leitplanke bei der Brücke überprüft. Sie haben tatsächlich einen Mann hingeschickt, der nach schwarzem Lack von einem Opel suchen sollte.«
    »Ja?« fragte Willy. Er war so neugierig, daß ihm die Augen fast aus dem Kopf quollen.
    »Und sie haben ja welchen gefunden«, sagte Tomme. »Aber ich hatte den totalen Schiß!«
    »Aber du hast doch die Wahrheit gesagt!« rief Willy. »Das war doch die pure

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