Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)
Wahrheit!«
»Weiß ich. Aber ich hatte trotzdem den totalen Schiß.«
»Und sonst?« fragte Willy noch einmal. »Weißt du, was sie sonst so machen?«
»Ich glaube, sie haben eine Spur. Ich wüßte gern, welche. Ich kapier gar nichts mehr«, sagte er und rieb sich mit schweißnasser Hand den Nacken. Der Boden dröhnte unter seinen Füßen, trotz des dicken Teppichbodens. Es war eine seltsame Vorstellung, daß sie sich auf einem Schiff befanden. Es kam ihm nicht so vor, es wirkte eher wie ein großes Restaurant, wo im Keller irgend etwas laut brummte. Tomme ließ die Hand im Nacken liegen und fing an, sich dort zu massieren. Er saß mit dem Rücken zur Wand, und durch das runde Fenster hinter ihm drang ein kalter Wind.
Er schlief traumlos. Er war bald eingeschlafen, und das tiefe Brummen der Motoren folgte ihm durch die Nacht. Am nächsten Morgen gingen sie an Land. Es tat gut, festen Boden unter den Füßen zu haben, aber es wehte ein scharfer Wind. Die Jungen mußten seitwärts gehen und die schlimmsten Böen mit den Schultern auffangen. Tomme hatte eine Windjacke mit Kapuze, die er sich über den Kopf zog und verschnürte. Wenn man ihn von der Seite ansah, ragte sein schmaler Nasenrücken hervor wie ein dünner Schnabel. An diesem Samstag erledigte Willy seine bescheidene Angelegenheit im Spunk. So drückte er das aus. Nichts Großes, einfach ein kleines Geschäft. Das niemandem schaden konnte. Er drängte seinen Stoff niemandem auf, gab ihn nur denen, die ihn darum anflehten. Erwachsenen. Und immer denselben. So wie er das sah, war es eine willkommene Nebeneinnahme, er verdiente im Mestern-Bowling verdammt schlecht, und soviel er wußte, war noch keiner von seinen Kunden in der Gosse gelandet.
»Das kannst du ja wohl nicht kontrollieren«, sagte Tomme. »Ob das an Kinder weitergereicht wird. Und ob das vielleicht doch irgendwann in die Gosse führt.«
»Dafür sind dann andere zuständig«, sagte Willy. »Ich verkaufe an verantwortungsbewußte Leute. Was sie danach machen, ist nicht mein Problem.« Tomme saß in einem Imbiß und aß Hähnchen mit Pommes. Willy war zielstrebig mit seiner Pumatasche über der Schulter losgegangen. Die Tasche sah nicht viel schwerer aus, als er nach einer knappen Stunde zurückkehrte. Danach streiften sie durch die Straßen und sahen sich das bunte Treiben an. Tomme rief seine Mutter an und erzählte ihr, alles sei in schönster Ordnung. Bei ihm und bei Bjørn. Dann kam die Rückreise. Sie saßen wieder in der Bar, und wieder hatten sie eine Kabine ganz unten im Schiff. Willy sprach mit Tomme nicht mehr über seine Geschäfte, er warf gleichgültig die Tasche in die Kabine. Irgendwann an diesem Abend verschwand er kurz, um etwas zu checken, wie er sagte, aber bald tauchte er wieder auf. Tomme stellte sich vor, daß die unschuldig aussehende Tasche vielleicht einen doppelten Boden habe, oder ein Geheimfach. Es war wirklich nur eine einfache Tasche aus billigem Nylon. Willy wirkte obenauf. Im Laufe des Abends ließ er sich dann vollaufen. Tomme saß bei seinem dritten Bier, er fühlte sich klar im Kopf. Nach und nach kam Wind auf. Sie merkten in ihren tiefen Sesseln jedoch nicht viel vom Wellengang. Plötzlich lief Willy zum Tresen und kaufte drei Halbe auf einmal. Er machte sich über die erste her.
»Wozu soll das denn gut sein?« fragte Tomme ungläubig. Er starrte auf die drei Gläser.
»Jetzt bricht bald der Sturm los«, sagte Willy. »Er hat sich nur ein bißchen verspätet. Und wenn es zu schlimm wird, wird die Bar geschlossen.«
Er nahm einen kräftigen Schluck. »Ich bin die Strecke schon oft gefahren«, erklärte er. »Ich kenn mich hier aus.«
Tomme schüttelte resigniert den Kopf. Er nippte vorsichtig an seinem Bier und machte sich mit dem Gedanken vertraut, Willy ins Bett tragen zu müssen.
»Ich wollte dich etwas fragen«, sagte Willy. Er nuschelte jetzt ein wenig, und sein Gesicht zeigte dieses aasige Lächeln, das Tomme verabscheute.
»Ach?« fragte Tomme. Er versuchte, sich gleichgültig anzuhören. Aus irgendeinem Grund hatte er Angst. Das hier hatte er erwartet.
»Ich meine, sei doch mal ehrlich«, sagte Willy. »Du schuldest mir einen Gefallen. Oder sagen wir zwei.«
»Warum tu ich das?« fragte Tomme. Er fühlte sich plötzlich nüchtern, und jetzt schob er sein Glas zurück, um klarzustellen, daß er hier nicht mitmachte. Daß er die Lage im Griff hatte.
»Zuerst deine komische Geschichte«, sagte Willy. »Die bei mir natürlich in guten
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