Schwarze Stunde
fragen, noch dass er und Frau Bollmann zusammenkommen. Auf keinen Fall. Natürlich hat Yuki recht, sie wären ein tolles Paar, Frau Bollmann ist so eine attraktive Frau, viel älter als Corvin kann sie nicht sein, was sind schon drei oder vier Jahre. Ihre exakt geschnittenen Haare, der sanfte Blick, die zierliche Figur und ihre stilvolle, schlichte Kleidung, ich muss mich nicht wundern, wenn es eines Tages wahr wird und die ganze Schule miterlebt, wie Frau Bollmann und der beliebte neue Referendar sich finden. Ich wüsste nicht, wie ich das ertragen sollte.
»Du gehst da nicht hin«, beschwöre ich Fiona also und bete innerlich, dass niemand merkt, wie sehr ich mich zusammenreiße. »Das ist doch peinlich – wie ein hysterischer Teenie aus der siebten Klasse. Außerdem scheinen die beiden gerade etwas Wichtiges zu besprechen, da stören wir nur.«
Fiona mustert mich provozierend langsam von oben bis unten.
»Seit wann kann Valerie sprechen?«, fragt sie. »Du hüllst dich doch sonst immer in Schweigen, außer wenn du in Englisch mit deinen Glanzleistungen angibst. Jetzt flackert Panik in deinen Augen auf, Süße. Hat das was zu bedeuten?«
»Unsinn.« Ich spüre, dass ich rot werde und senke meinen Kopf. »Ich will nur nicht, dass wir uns kindisch benehmen. Du kannst Herrn Schwarze ein anderes Mal nach seinem Alter fragen, auf einem Ausflug oder einem Schulfest, dann wirkt es nicht so überdreht. Sonst denkt er noch, wir hätten uns die ganze Pause nur über ihn unterhalten.«
»Er ist doch auch ein heißes Objekt, über das es sich zu reden lohnt.« Fiona zupft an ihren roten Haarspitzen herum, die vom aufkommenden Wind etwas zerzaust worden sind, dann an ihrem dunkelgrünen Shirt. Sogar auf dem Dekolleté hat sie Sommersprossen, und auf einmal stelle ich mir vor, Corvin würde sich über sie beugen und jeden einzelnen dieser kleinen hellbraunen Punkte küssen. Ich wende mich ab.
»Valerie hat recht«, pflichtet mir Yuki bei und hält Fiona am Arm fest. »Bring ihn nicht in Verlegenheit. Wenn er merkt, wie sehr du auf ihn stehst, ist das für ihn peinlich, richtig unangenehm kann das für ihn werden. Mit einer Schülerin dürfte er um nichts in der Welt etwas anfangen.«
»Mit euch geht die Fantasie durch«, bemerkt Alena und verdreht die Augen, legt ihren Arm um meine Taille und zieht mich eng an ihre Seite. »In einem Atemzug verkuppelt ihr ihn mit Frau Bollmann und mit Fiona. Werdet mal erwachsen.«
Fiona schweigt und bleibt stehen, ohne Corvin aus den Augen zu lassen. Sie kneift ihre Lider zu schmalen Schlitzen zusammen, selbst ihre vollen Lippen werden zu einem Strich. Von der Seite schaut mich Alena an, die mich noch immer an sich gedrückt hält, ich tue so, als würde ich nichts bemerken, doch ihr Blick beunruhigt mich. Auf keinen Fall darf sie etwas ahnen, noch nicht, noch darf sie nicht wissen, wer unser neuer Lehrer ist. Dass es Corvin ist, der Corvin aus dem Flugzeug. Ich weiß nicht, wie sie reagieren würde, wenn ich ihr anvertraute, dass unser neuer Referendar und der Mann, in den ich mich Hals über Kopf verliebt habe, ein und dieselbe Person sind.
Später an diesem Vormittag haben wir noch Musik. Mein Herz überschlägt sich beinahe, als Corvin den Musikraum betritt, dicht hinter unserer etwas ältlichen Lehrerin Frau Lindner, die fast immer am Klavier sitzt und uns Tonleitern üben lässt; zwischendurch nehmen wir die Komponisten verschiedener Epochen durch und lesen Partituren zu klassischen Konzerten zur CD mit, so gut wir können. Heute kündigt sie an, Herr Schwarze werde einen Teil der Unterrichtsstunde übernehmen.
»Bei mir gibt es das nicht, nur hinten sitzen und mitschreiben.« Sie lacht etwas säuerlich. »Deshalb bekommt Herr Schwarze gleich etwas zu tun. Ich hoffe, Sie werden sich anständig benehmen.«
Alena beugt sich zu mir vor. »Meint sie damit ihn oder uns?«, flüstert sie. »Die behandelt ihn ja wie einen kleinen Schuljungen.«
Ich nicke nur und kann nicht antworten, meine Kehle ist trocken, ich habe das Gefühl, jeden Moment vom Stuhl zu kippen. Corvin trägt seinen Gitarrenkoffer in der Hand, ich erkenne ihn sofort wieder an all den vielen Aufklebern, entdecke den von Black Hour und kann nur mit Mühe die Freude überspielen, die sich bei diesem Anblick sofort wieder in mir ausbreitet. Er streift uns mit einem Lächeln, als er nach vorn geht, vielleicht auch nur mich, ich hoffe es so sehr, dass ich kaum atmen kann. Ich versuche mich zu beruhigen, starre auf die
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