Schwarze Stunde
Sporttasche, werfe das Duschgel hinein und fahre mir mit der Bürste durchs Haar, ehe ich nach draußen eile, gerade in Corvins Unterricht will ich auf keinen Fall zu spät kommen. Valerie braucht ihren Auftritt, würden einige bestimmt gleich wieder denken; sie hat wohl Angst, dass ihr Angebeteter sie sonst nicht sieht.
Ich trete in den Vorraum der Turnhalle und bin sofort von den anderen umgeben; Mädchen, mit denen ich Sport hatte, fast alle aus dem Englisch-Leistungskurs, einige, die auch gleich in Musik dabei sein werden. Kein Blick, keine Geste verrät, was sie vorhaben, aber alle passen sich meinem Schritt an, gehen so eng neben mir, hinter mir, vor mir, dass ich kaum vorwärtskomme. Schultern rempeln mich an, Füße bleiben abrupt vor meinen eigenen stehen, Körper stolpern von hinten gegen meinen Rücken, dann wird der Raum um mich wieder freigegeben, jedoch nur, damit dieses Spiel gleich darauf von vorn beginnen kann.
Plötzlich geht Yuki dicht neben mir.
»Sag mal, hast du was mit dem Schwarze?«, fragt sie mit ihrer ruhigen, klaren Stimme. Ihren Blick aus dunkelbraunen, mandelförmigen Augen hält sie von der Seite auf mich gerichtet, sie geht mit mir im Gleichschritt, rechts, links, rechts, links, lautlos, zierlich, anmutig wie eine siamesische Katze. Ich bin gefangen, es gibt kein Entkommen, ich blicke mich nach Alena um, kann sie jedoch nirgends entdecken, bestimmt hat irgendjemand sie unter einem Vorwand weggelockt. Jetzt haben sie mich, es kommt mir vor, als trete ich aus meinem Körper heraus, mein Kopf fühlt sich an wie unter einer Glocke, das passiert alles nicht wirklich, ich will das nicht. Es scheint mir, als wären Hunderte glühender Augen auf mich gerichtet, sie beobachten, fixieren mich, warten auf eine Antwort, ein Geständnis, nur um dann über mich herzufallen, mich zu zerfleischen wie ein Rudel Hyänen, blutdurstig, blutrünstig, bereit, mich zu richten.
»Quatsch«, bringe ich irgendwie hervor, auch meine Stimme hört sich an als spräche ich durch Watte. Ich sehe weder Yuki noch die anderen an, doch es ändert nichts. Auch wenn ich die ganze Zeit auf meine Füße starre, auf den Knoten im linken Schnürsenkel, von dem ich nicht weiß, wie er sich gebildet hat und der sich jetzt nicht mehr lösen lässt, ich komme nicht frei, sie kleben an mir wie Teer, bis sie zufrieden sind, bis sie haben was sie wollen. »Wie kommst du darauf?«
»Es fällt auf«, antwortet Yuki. »Allen.«
Glühende Augen, langsam nickende Köpfe. Ich weiß nicht, was ich antworten soll, es abzustreiten wäre eine Lüge, die mich noch angreifbarer machen würde.
»Bist du blöde, sie hat nichts mit ihm«, kontert Manuel, der ebenfalls die ganze Zeit neben uns gegangen ist. Manuel, der mein Beschützer sein wollte; Manuel, der sich so schnell verletzlich zeigt, wenn er merkt, dass er nicht mehr bei mir landen kann. »Valerie ist viel zu gut für diesen Schleimbeutel. Außerdem seid ihr doch alle in ihn verknallt, auch du, Yuki. Also tut nicht so.« Er versucht, seinen Arm um mich zu legen, doch ich ziehe meine Schultern rechtzeitig weg, gerade noch so, dass der Eindruck entstehen kann, ich hätte nicht gemerkt, dass er mich berühren wollte.
»Dafür ist sie aber eben ganz schön zusammengezuckt, als ich Schwarzes Namen erwähnt habe«, fährt Yuki fort. »Verdächtig, verdächtig.«
»Und wie sie sich in Englisch immer anstrengt.« Auf meiner anderen Seite geht jetzt Fiona. »Herr Schwarze, darf ich bitte den Text vorlesen?«, äfft sie.
Ich beschleunige meinen Schritt. »Damit meinst du dich wohl selber«, kontere ich. »Du kannst es nur nicht vertragen, dass jemand fast so gute Leistungen bringt wie du, auch ohne Englisch als Muttersprache zu haben. Guck dich lieber mal selber an, wie du immer dein Dekolleté über den Tisch hängst, wenn Schwarze an dir vorbeigeht.«
»Wo sie recht hat, hat sie recht«, wiehert Oleg und streckt die Hand aus, um mir meine Sporttasche abzunehmen. »Darf ich Ihnen beim Tragen helfen, Madame? Ich kann nicht so gut Gitarre spielen wie Herr Schwarze, aber dafür bin ich ein Kavalier.«
»Lass das, Oleg.« Ich schließe meine Hand fester um den Griff meiner Tasche.
»Wie kann ich nur bei dir landen, Valerie?«, säuselt Kosta, einer der bestaussehenden Jungs der Schule mit seinen vollen, dunklen Locken und der olivfarbenen Haut. »Ich hatte sie ja fast alle schon, aber du bist so unnahbar. Muss ich erst auf Lehramt studieren oder gibst du dich mit einem Kinobesuch mit
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