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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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genauer als wir. Dein Süßer hat dir längst die Fragen samt Lösungen gegeben, nicht wahr?«
    Ich ringe nach Luft, Fionas Tablett drückt mir die Kehle zu.
    »Welcher Süße?«, quetsche ich tonlos heraus. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Tu nicht so.« Sie lockert ihren Druck, lässt mich kurz einatmen. »Natürlich weißt du, wovon ich rede. Warum hast du keine Zeit? Weil du jeden Nachmittag mit Schwarze in die Kiste steigst und dafür den ganzen Lernstoff schon vorher in den Hintern geschoben kriegst, deshalb.«
    »Ich steige mit niemandem in die Kiste.«
    »Ach nein? Und warum bist du in letzter Zeit noch besser in Englisch als je zuvor?«
    »Ich war schon immer gut. Tu nicht so, als hätte ich früher nie eine fehlerlose Arbeit abgeliefert.«
    Wortlos verdichten sie die Schraube um mich. Dieses Mal ist es keine Phantasie, ausgelöst durch mein aufkommendes Gefühl, wahnsinnig zu werden, weil ich die Drohungen und Schikanen nicht mehr aushalte. Dieses Mal ist es echt, das alles hier geschieht wirklich mit mir, ist kein Film und kein Tagtraum. Ich versuche, zwischen ihren Köpfen nach Hilfe zu spähen, aber niemand kommt, um mich zu befreien, kein Lehrer, keine Schüler, die eingreifen würden oder deren Erscheinen genügte, um die anderen zu stoppen. Vermutlich schiebt jemand an der Eingangstür Wache.
    »Niemand hat Fiona jemals in Englisch überflügelt«, zischt Yuki. »Bis du angefangen hast, dich von Schwarze vögeln zu lassen.«
    »Ich lasse mich nicht von ihm vögeln«, beteuere ich noch einmal. Leiere den Satz herunter wie ein sprechender Roboter. »Und ich bekomme keine Lösungen für die Englischaufgaben und auch keine anderen.«
    »Gib’s auf, Valerie«, flüstert Fiona. »Niemand hier glaubt dir deine Lügen. Aber du wirst Schwarze die Klausur aus den Rippen leiern und uns geben. Mit Lösungsbogen, versteht sich.«
    »Das kann ich nicht«, japse ich unter dem Druck der Tabletts gegen meinen Brustkorb. »Ich komme da ebenso wenig ran wie ihr. Außerdem hat bestimmt Frau Bollmann die Klausur erstellt, nicht er.«
    »Tu nicht so. Jeder Lehrer kann sie haben.« Fiona verstärkt ihren Druck, ihre grünen Augen glühen wie die eines Pantherweibchens in der Nacht, hungrig, gierig, bereit, für ihre Beute zu töten. Von ihrem Tablett, das mir mittlerweile die Kehle zudrückt, fällt ein Colaglas herunter und zerbricht auf dem gekachelten Boden der Mensa. Alena, denke ich; wo ist Alena, beim nächsten Atemzug sehe ich sie etwas abseits stehen, sie hält kein Tablett in der Hand und bedroht mich auch nicht, beobachtet aber mit starrem Gesichtsausdruck das Geschehen, greift nicht ein, verteidigt mich nicht.
    »Trotzdem«, sage ich. »Ich schwöre, ich weiß nur das über die Klausur, was ihr auch wisst: Die Stories of Initiation kommen dran und eventuell noch älterer Stoff. Genau wie Schwarze es gesagt hat.«
    »Was vom älteren Stoff? Raus damit.«
    »Davon habe ich genauso wenig Ahnung wie ihr.«
    »Du lügst«, tönt Manuel von hinten. »Alles, was aus deinem Schlampenmaul nicht gelogen ist, sind vielleicht die Artikel der, die, das. Mir hast du Liebe vorgemacht und Alena Freundschaft. Auch alles gelogen, genau wie das jetzt.«
    »Ich habe nie behauptet, dich zu lieben. So schnell sage ich diese Worte nicht.«
    Manuel schiebt sich nach vorn, drängt Fiona und Yuki beiseite. »Hast du sie zu Schwarze gesagt?«
    »Mach dich nicht lächerlich, Manuel.«
    Er lacht bitter auf.
    »Da haben wir es doch«, mischt sich Fiona triumphierend ein. »Was sie nicht abstreitet, gibt sie zu.« Dann senkt sie ihre Stimme, ihr Gesicht schwebt nun so dicht vor meinem, dass ich jede einzelne ihrer Sommersprossen betrachten kann, die Katzenaugen, die blasse Haut um ihre vollen, orangerot geschminkten Lippen, passend zum Haar, das sich auch heute wieder wie Federn um ihr Gesicht legt, perfekt geschnitten, makellos auch die gerade Nase und die blitzenden Zähne. So kalt, so schön.
    »Nichts gebe ich zu, weil es nichts zuzugeben gibt. Lasst mich los oder ich schreie.«
    »Nur zu. In der ganzen Schule findet sich niemand mehr, der dir glaubt. Aber jetzt ist es genug. Du hast was mit Schwarze, also hast du auch die Klausur.« Sie gibt den anderen ein Zeichen, ihre Tabletts runterzunehmen, für einen Moment fühle ich mich beinahe befreit, aber das ist ein Trugschluss. Noch lassen sie mich nicht gehen.
    »Die Arbeit«, befiehlt Fiona. »Genau sechsunddreißig Stunden, bevor wir die Klausur schreiben, bringst du die Aufgaben

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