Schwarze Themse
Bord und unter Deck gegangen ist. Sein Komplize blieb im Boot, er kann Hodge nicht umgebracht haben, er wusste ja nicht einmal, dass er dort war. Aber Gould schwört, dass Hodge zwar tot, aber unverletzt war, als er auf ihn stieÃ. Gould dachte zunächst, Hodge sei stockbesoffen. Ich glaube ihm. Und ich habe ihm versprochen, ihm den besten Verteidiger zu besorgen, den ich finden würde.«
Das wühlte Rathbone zutiefst auf. Monk war alles andere als leichtgläubig, und diese Geschichte erschien auf den ersten Blick völlig absurd. Es musste noch etwas von allergröÃter Bedeutung geben, was Monk ihm nicht anvertraute. Warum nicht? Rathbone lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. Es war unbequem, aber da Monk stehen geblieben war, wollte er sich auch nicht setzen. »Warum glauben Sie ihm?«, fragte er.
Monk zögerte.
»Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie mir nicht die ganze Wahrheit sagen«, sagte Rathbone mit einer Schärfe, die ihn selbst überraschte. Die Düsterkeit, die Monk umgab, beunruhigte ihn, obwohl er nichts anderes gehört hatte als die Geschichte eines ganz gewöhnlichen Diebstahls und eines unaufgeklärten Mordes. Das war es â warum sollte ausgerechnet Monk auf diese Weise einen Mord vertuschen? »Die ganze Wahrheit!«, forderte er barsch. »Um Himmels willen, Monk, wissen Sie immer noch nicht, dass Sie mir vertrauen können?«
Monk zuckte zusammen. »Sie wissen nicht, um was Sie mich da bitten.« Jetzt sprach er mit leiser Stimme. In seinen Augen, die tief in ihren Höhlen lagen, war blankes Entsetzen.
Rathbone war ernsthaft besorgt. »Ich bitte Sie um die Wahrheit.
« Seine Kehle war so eng, dass er die Worte herauspressen musste. »Warum glauben Sie, dass der Mann unschuldig ist? Nichts von dem, was Sie bislang gesagt haben, ergibt einen Sinn. Wenn er Hodge nicht umgebracht hat, wer dann? Und warum? Wollen Sie andeuten, es war einer aus der Mannschaft oder gar der Schiffseigner selbst?« Er fuhr ruckartig mit den Händen nach oben und durchschnitt die Luft. »Warum sollte er das tun? Warum sollte ein Schiffseigner sich um einen seiner Matrosen scheren? Um was gehtâs hier? Erpressung, Meuterei, etwas Persönliches? Was sollte einen Schiffseigner persönlich mit einem Matrosen verbinden? Halb blind bin ich Ihnen nicht von Nutzen, Monk.«
Monk stand vollkommen reglos da, doch der Kampf, der in ihm tobte, zeigte sich einen Augenblick lang so deutlich, dass Rathbone nur dastehen und ihm zusehen konnte, hilflos und mit einer kalten Faust im Magen.
Der Sekretär klopfte.
»Noch nicht!«, sagte Rathbone angespannt.
Monk richtete seinen Blick auf ihn, sein Gesicht war noch weiÃer als zuvor. »Sie müssen mir zuhören â¦Â«, sagte er heiser, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Rathbone spürte, wie ein eisiger Schauder ihn durchfuhr. Er schob sich an Monk vorbei zur Tür, öffnete sie und rief nach dem Sekretär. Der Mann erschien fast augenblicklich.
»Sagen Sie meine restlichen Termine für heute ab«, erklärte Rathbone ihm. »Ein Notfall. Bitten Sie um Entschuldigung, und sagen Sie den Leuten, dass ich sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt empfange.« Er sah, dass der Mann vor Bestürzung und Entsetzen das Gesicht verzog. »Machen Sie schon, Coleridge«, befahl er ihm. »Sagen Sie ihnen, es tue mir Leid, aber es handele sich um Umstände, die auÃerhalb meines Einflusses liegen. Und unterbrechen Sie mich nicht mehr und kommen Sie auch nicht mehr an meine Tür, bis ich nach Ihnen schicke.«
»Alles in Ordnung mit Ihnen, Sir?«, fragte Coleridge tief besorgt.
»Ja. Richten Sie nur meine Nachricht aus. Vielen Dank.« Ohne abzuwarten ging er zurück in sein Büro und schloss die Tür. »Und jetzt â¦Â«, sagte er zu Monk, »⦠sagen Sie mir die Wahrheit.«
Monk schien zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Er setzte sich sogar, als habe ihn nun doch die Erschöpfung übermannt. Er war so aschfahl, dass Rathbone fürchtete, er sei krank. »Brandy?«, fragte Rathbone.
»Noch nicht«, lehnte Monk ab.
Diesmal war es Rathbone, der sich nicht setzen konnte.
Als Monk begann, schaute er nicht Rathbone an, sondern richtete den Blick irgendwo in die Ferne. »Kurz nachdem Louvain mich beauftragt hatte, brachte er eine Frau in die Klinik in der Portpool Lane. Ich weià nicht, ob er durch mich von
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