Schwarze Themse
geschlagen.«
Flo zuckte die Schultern. »Wenn sie ânem Mann vertraut hat, der sie bezahlt, war sie ganz schön dumm!« Sie sah Hester herausfordernd an, und Hester begegnete ihrem Blick. Flo seufzte und senkte die Augen. »Also ... schon möglich, dass wir alle ab und zu mal dumm sind«, sagte sie zögernd. Dann lächelte sie. »Ich lebe, aber sie nicht mehr, also sollte ich wohl keinen Groll mehr gegen sie hegen. Was meinen Sie?«
Hester wurde von einer eiskalten Hand gepackt, als wäre die Tür nach drauÃen aufgegangen. »Nennen Sie das einen Sieg, Flo?«
»Also â¦Â«, setzte Flo an, dann erstarrte sie. »GroÃe Güte! Ich hab ihr nichts getan, Miss Hester!«
Die Kälte in Hester wuchs noch, hielt sie umklammert wie Eis. »Warum sollte ich so etwas denken, Flo?«, fragte sie sehr leise.
»Weil sie mich âne Diebin geschimpft hat«, sagte Flo empört. »Nicht gerade nett, so was zu sagen! Wenn Sie ihr geglaubt hätten, hätten Sie mich auf die StraÃe werfen können. Um Gottes willen! Ich könnt da drauÃen verrecken!« Ein gequältes, unglückliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Na ja, das kann ich hier drin ja wohl auch. Aber hier bin ich unter Freunden, und das zählt.«
»Ich habe Sie nie für eine Diebin gehalten, Flo«, sagte Hester und war überrascht, wie sicher sie sich war.
Flos Miene erhellte sich vor Staunen. »Nicht? Wirklich nicht?«
Hester spürte Tränen in ihren Augen aufsteigen. Das musste die Müdigkeit sein. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal länger als eine Stunde am Stück geschlafen hatte. »Nein.«
Flo schüttelte, immer noch lächelnd, den Kopf. »Ich bin nur froh, dass ich ihr nicht mal eine aufs Maul gegeben hab, und glauben Sie mir, dran gedacht hab ich! Soll ich dann noch mehr Handtücher holen?«
»Ja. Ja, bitte«, antwortete Hester. »Bringen Sie sie einfach mit, wenn Sie das nächste Mal hochkommen.«
Eine weitere Frau starb, und Hester und Mercy wickelten sie in eine dunkle Decke als Leichentuch. Als sie fertig waren, schaute Hester auf und sah, wie blass Mercy war. Als Mercy den Kopf drehte, weil sie Schritte auf der Treppe hörten, fiel das Kerzenlicht auf ihre dunklen Augenhöhlen.
»Wir bitten Squeaky, beim Tragen zu helfen«, sagte sie. »Lassen Sie mal.«
Mercy wollte widersprechen, lieà es jedoch. »Vielleicht haben Sie Recht«, räumte sie ein. »Es wäre schrecklich, wenn ich
sie fallen lassen würde, die arme Seele.« Ihr Gesicht verriet tiefes Mitleid, aber auch eine Spur Zorn. Hester überlegte, warum, aber sie war zu müde, um weiter darüber nachzudenken.
Claudine stand in der Tür. Sie lieà den Blick von Hester zu dem Bündel auf dem Bett wandern. Sie hatte die Frau verachtet, aber ein kurzer Blick in ihr Gesicht verriet, dass der Tod sie von jedem Urteil befreit hatte, einzig eine allgemeine Menschlichkeit war übrig geblieben.
»Ich sage den Männern Bescheid«, sagte sie und wandte sich von Hester an Mercy: »Sie sehen aus, als bekämen Sie die FüÃe nicht mehr hoch, ganz zu schweigen die eines anderen. Ich reiÃe den nutzlosen Kerl wohl besser mal von seinen Büchern los!« Ohne auf Hesters Zustimmung zu warten, entfernte sie sich. Sie hörten ihre Schritte sich den Gang hinunter entfernen, die Absätze klapperten vernehmlich über die Dielen, doch ihre Schritte waren langsamer als vorher. Sie stand ebenfalls am Rande der Erschöpfung. Bald würden Bessie und Flo den Rest der Nachtwache übernehmen.
»Wir kriegen es schon hin«, sagte Hester zu Mercy. »Gehen Sie jetzt zu Bett. Ich wecke Sie, wennâs Zeit ist.«
Dieses eine Mal erhob Mercy keine Einwände.
Claudine kehrte zurück, Squeaky, der unentwegt schimpfte, folgte einen Schritt hinter ihr.
»Ist nicht meine Aufgabe, mich als verdammter Leichenbestatter zu betätigen!«, beschwerte er sich. »Und wenn ich die Pest kriege, he? Was ist dann? Leichen rumschleppen! Der verfluchte Mr. Rathbone hat nicht gesagt, ich müsst mich mit Leichen rumplagen â das war nicht abgemacht! Und wenn ichâs jetzt kriege, he? Da fällt Ihnen nichts mehr ein, was?«
»Hätten Sie zwischendurch einmal Luft geholt, hätte ich eine Chance gehabt«, antwortete Claudine beiÃend. »Aber wenn Sie nicht von
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