Schwarze Themse
etwas genauer nehmen müssen. Hodge hat zu viel getrunken, er hat nach Schnaps gerochen, und er muss das Gleichgewicht verloren haben, gestürzt sein und sich den Kopf aufgeschlagen haben, denn so haben Sie ihn gefunden. Gould wird seine Geschichte dahingehend abändern, dass Hodge betrunken war, als er auf ihn traf, aber unverletzt. Es klingt einigermaÃen logisch, dass es so passiert sein kann.«
»Und wenn ich mich weigere?«, fragte Louvain vorsichtig. Er war sehr angespannt und schwankte leicht hin und her, als wollte er sich jeden Augenblick in einen Kampf stürzen, die
Schultern hochgezogen, das Gewicht auf den Ballen. »Sie werden die Geschichte über die Pest nicht verbreiten, und ich noch weniger. Wir hängen in derselben Schlinge, Monk. Ich sage, Gould hängt. Der nächste Dieb wird es sich zweimal überlegen, bevor er auf einem Schiff von Louvain etwas stiehlt.«
»Was glauben Sie, wie clever Gould ist?«, fragte Monk, als wäre er einfach neugierig. »Wie moralisch?«
»Nicht sehr â beides nicht«, antwortete Louvain und verlagerte leicht das Gewicht. »Warum?«
»Er hat Hodge nicht umgebracht. Was wetten Sie, wie groà seine Bereitschaft ist zu hängen, um Ihre Interessen zu schützen?«
Louvains Augen glitzerten, und aus seinem Gesicht war der letzte Hauch Farbe gewichen, sodass die Stoppeln eher grau als braun aussahen. »Sie werden es ihm nicht sagen«, behauptete er.
»Das muss ich womöglich gar nicht«, antwortete Monk. »Er kommt vielleicht von selbst darauf. Nicht auf die Pest, aber auf Gelbfieber, Typhus, Cholera? Wollen Sie, dass man Hodges Leiche wieder ausbuddelt, um zu sehen, ob er Recht hat? Wenn es so weit kommt, wird niemand von uns das verhindern können.«
Schweigen lastete im Raum. Plötzlich hörte man das Ticken des Chronometers auf dem Tisch, der die verstreichenden Augenblicke der Ewigkeit zählte.
»Was soll ich aussagen?«, fragte Louvain schlieÃlich. Seine Haut war weià und schweiÃgebadet, aber in seinen Augen stand rabenschwarze Wut.
Monk erklärte es ihm langsam und sorgfältig, dann traten er und Durban hinaus in die regennasse, stürmische Nacht. Ein kleiner Triumph glühte wie eine stecknadelkopfgroÃe Wärmequelle in Monks Innerem, auch wenn er zu winzig war, um die groÃe Angst vor dem Verlust zu mildern.
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Am Morgen machte Rathbone sich gerade fertig, um zum Gericht zu gehen, als Monk im Korridor zu ihm trat.
»Tut mir Leid«, entschuldigte Monk sich. »Ich habe die Zeit aus den Augen verloren. Ich hätte früher hier sein sollen. Louvain wird aussagen, dass Hodge ein Trinker war und dass er, als er ihn fand, auf dem Balken am Fuà des Niedergangs, stockbesoffen war, den Kopf durch den Sturz eingeschlagen.«
Rathbone starrte ihn an. »Sind Sie sicher?«
»Ja. Etwas anderes wird er nicht wagen.« Monk blinzelte. »Sie sehen schrecklich aus.« Die Stimme blieb ihm im Hals stecken, die nackte Angst stand ihm in den Augen und drückte sich auch in der angespannten Starre seines Körpers aus.
Rathbone empfand ein überwältigendes Gefühl der Brüderlichkeit mit ihm, ein so starkes gemeinsames Band, das in diesem Augenblick etwas in seinem Inneren veränderte. Das Einzige, an was er denken konnte, war, dem Entsetzen in Monks Augen ein Ende zu bereiten. Er verstand es, denn es war auch sein eigenes. »Margaret ist in die Klinik gegangen, um Hester zu helfen«, antwortete er. »Mehr weià ich nicht, weder Gutes noch Schlechtes, aber ich bringe Geld und Vorräte dorthin.«
Die vorübergehende Erleichterung machte Monk sprachlos. Seine Augen füllten sich mit Tränen, und er wandte sich ab.
Rathbone schwieg. Es war nicht nötig, dass zwischen ihnen noch weitere Worte gewechselt wurden.
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Der Prozess dauerte drei Tage. Am ersten Tag begann die Anklage mit dem Leichenbestatter, der Hodge beerdigt hatte, und seine Aussage schien vernichtend zu sein. Rathbone konnte kaum etwas tun, um ihn zu erschüttern, und er wusste, dass er sich bei den Geschworenen nur unbeliebt machen würde, wenn er es versuchte. Er war ein rechtschaffener Mann, und es war deutlich, dass er vollkommen von dem überzeugt war, was er sagte. Aus seinem Verhalten sprachen sowohl Seriosität als auch Mitleid.
Am frühen Nachmittag machte Hodges Witwe ihre Aussage in Bezug auf die Identität des Toten,
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