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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Hause? Der arme William muss doch denken, Sie hätten ihn verlassen.« Sie reichte Hester das Sandwich. Es war ein wenig schief geschnitten, aber dick mit Butter, Minzgelee und viel Fleisch belegt. Hester wusste, dass Margaret es selbst gemacht hatte.

    Â»Vielen Dank«, sagte sie von Herzen, biss hinein und ließ es sich schmecken.
    Margaret machte frischen Tee, trug ihn zum Tisch hinüber und schenkte ihnen beiden eine Tasse ein. »Wie geht’s den Frauen?«, fragte sie.
    Â»Unverändert«, antwortete Hester mit vollem Mund. »Woher haben Sie das Geld?«
    Â»Von einem Freund von Sir Oliver«, antwortete Margaret und wurde ein wenig rot. Sie blickte in ihren Tee. Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie ihre Gefühle so deutlich zeigte, und doch wollte sie Hester gerne daran teilhaben lassen. Sie hatte das Bedürfnis, in dem Tumult nicht allein zu sein, fühlte sie sich doch verletzbar und hatte große Angst, Lady Horden könnte ihre Drohung wahrmachen und Mrs. Ballinger aufsuchen und ihr von der Unterredung auf der Abendgesellschaft berichten. Sie hatte das Thema sogar schon selbst angeschnitten, um Schlimmerem vorzubeugen, aber sie war sich nicht sicher, ob ihr das gelungen war. »Ich glaube, er hat einen gewissen Druck auf den armen Mann ausgeübt, um ihn zum Spenden zu bewegen«, sagte sie und hob den Blick, um Hester anzusehen. Die Erinnerung war ihr ein wenig unangenehm. »Wissen Sie, er ist gegen seinen eigenen Willen schrecklich stolz auf Sie und auf das, was wir hier tun.« Sie biss sich auf die Lippen, nicht weil sie gesagt hatte, Rathbone sei stolz auf Hester, denn das stimmte, sondern weil sie zarte Gefühle füreinander hegten und Hester darüber Bescheid wusste. Es war unverkennbar gewesen, als er sich auf Margarets Bitte hin bereit erklärt hatte, dabei mitzuwirken, dass sie dieses Gebäude bekamen.
    Müde, wie sie war, musste Hester doch feststellen, dass sie lächelte. Sie verstand die Mischung aus Schamgefühl, Hoffnung und Angst sehr gut, die Margaret zu dieser Formulierung bewogen hatte. »Wenn er bereit ist, es zuzugeben, dann wird es sicher so sein«, meinte sie. »Und ich bin dankbar für alles, was er den Leuten abnötigen kann. Ich nehme an, es ist die Jahreszeit,
denn wir haben hier viel mehr Frauen mit Bronchitis und Lungenentzündung als noch vor einem oder zwei Monaten.«
    Â»Ich bekäme auch Lungenentzündung, wenn ich nachts durch die Straßen gehen müsste«, sagte Margaret voller Mitgefühl. »Ich wünschte, ich könnte die Leute davon überzeugen, regelmäßig zu spenden, aber Sie sollten sehen, wie sie die Gesichter verziehen, wenn sie hören, dass ich nicht für die Missionsarbeit oder etwas Ähnliches sammle, sondern für Straßenmädchen. Ich war arg in Versuchung, die Wahrheit ein wenig auszuschmücken und das Geld einfach zu nehmen.«
    Â»Ich glaube, es hat etwas mit dem großen Unbehagen darüber zu tun, dass wir überhaupt zulassen, dass solches Elend entsteht«, antwortete Hester. »Lepra ist nicht unsere Schuld, Tuberkulose oder Syphilis womöglich sehr wohl. Und dann ist da noch die andere Seite. Wir können uns gut mit Lepra beschäftigen, weil wir nicht davon ausgehen, dass das Risiko besteht, dass wir uns damit anstecken. Mit den anderen Krankheiten könnten wir uns sehr wohl anstecken, obwohl wir alles Mögliche tun, um das zu verhindern.«
    Â»Syphilis?«, fragte Margaret.
    Â»Insbesondere die«, sagte Hester. »Man nimmt allgemein an, dass sie von Straßenmädchen weitergegeben wird. Die Ehemänner bedienen sich ihrer, und die Ehefrauen bekommen die Krankheit.« Sie blickte zu Boden. »Man kann ihnen ihre Wut … und ihre Angst nicht verübeln.«
    Â»So habe ich es noch nie betrachtet«, räumte Margaret ein. »Nein, vielleicht wäre ich auch nicht so spendenfreudig, wenn ich das bedenke. Vielleicht habe ich ein wenig vorschnell geurteilt.«
    Margaret blieb und arbeitete den ganzen Nachmittag. Sie half, als eine verletzte Frau mit mehreren gebrochenen Fingerknochen gebracht wurde, der aber Fieber und ein trockener, stoßweiser Husten noch größeres Unbehagen bereiteten. Sie sah abgespannt aus, als wären ihr Wille und ihre Kraft erschöpft, und als sie ihr nach oben halfen und sie in ein Bett legten,
lag sie still und mit weißem Gesicht da und achtete kaum auf die

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