Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
unserer Unzulänglichkeiten.«
»Ich verstehe Ihre Wut, Abraham. Und doch kann ich Ihnen nicht folgen. Ich will es einfach nicht.« Lukas schüttelte den Kopf. »Unmöglich sieht der Himmel einfach nur dabei zu, wie die Schöpfung im Krieg der Teufel und Dämonen aufgerieben wird.« Er beugte sich vor und dämpfte seine Stimme, da sich bereits einer der anderen Fahrgäste zu ihnen umdrehte. »Im Übrigen halte ich die ganzen Hetztiraden, die Mephisto von sich gegeben hat, für Blödsinn. Uns droht die Apokalypse. Was, wenn die Himmlischen
wollen,
dass wir das Geheimnis der Himmelsmusik finden? Milles Vision muss doch einen Grund haben.« Ihm kam plötzlich ein Gedanke. »Vielleicht sollten wir uns mehr mit Karl Wilhelm von Baden-Durlach selbst auseinandersetzen statt bloß mit seinen Bauten?« Er suchte im Stadtführer nach Einträgen über den Markgrafen. Je länger er las, desto mehr entglitten ihm die Züge. Schließlich hielt er seinen Begleitern den aufgeklappten Band hin. »Wir haben uns so sehr mit dem Schloss beschäftigt, dass wir ganz übersehen haben, dass der Markgraf ganz in unserer Nähe bestattet liegt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Schlosses, unter einer Pyramide auf dem Marktplatz Karlsruhes.«
»Hier in Karlsruhe existiert eine Pyramide?«, fragte die Hexe erstaunt.
»Ja«, bestätigte Abraham. »Sie gilt als eines der Wahrzeichen der Stadt. Der Markgraf hatte allerdings rein gar nichts mit ihr zu schaffen. Diese Pyramide existiert erst seit dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Von Baden-Durlach starb 1738 .«
»Das mit der Pyramide ist richtig«, meinte Lukas, während er die Sonnenbrille lüpfte und sich weiter in den Text vertiefte. »Aber der Platz, auf der sie steht, könnte dennoch für uns von Interesse sein. Hier ist von der sogenannten Konkordienkirche die Rede, die früher exakt dort stand, wo sich jetzt die Pyramide erhebt. Die Kirche wurde auf Geheiß des Markgrafen erbaut. Und mal ehrlich: Was liegt näher, als zu Ehren jener, die ihm die Vision schenkten, ein Gotteshaus zu erbauen?«
»Gibt es noch mehr Informationen über diese Kirche?«, wollte Millepertia wissen.
Lukas hielt ihr den Touristenführer hin. »Die Konkordienkirche war die erste Kirche Karlsruhes und wurde in der Zeit der Stadtgründung errichtet. 1807 musste der Bau der Stadterweiterung in Richtung Süden weichen. Mit einer Ausnahme: Die Gruft des Markgrafen blieb unangetastet. Die Pyramide wurde quasi wie ein Deckel über sie gesetzt.«
»Zeig mal.« Millepertia nahm ihm den Stadtführer ab, blätterte eine Seite weiter und riss erstaunt die Augen auf. »Unglaublich! Es ist sogar noch viel eindeutiger! Hier ist ein Foto der Tafel mit der Inschrift, die man heute auf der Pyramide findet.« Sie räusperte sich und las:
Hier
wo Markgraf Karl einst
im Schatten des Hartwaldes
Ruhe suchte
und die Stadt sich erbaute
die seinen Namen bewahrt
auf der Stätte
wo er die letzte Ruhe fand
weiht ihm dies Denkmal
das seine Asche verschließt
in dankbarer Erinnerung
Ludwig Wilhelm August
Großherzog
1823
»Mit anderen Worten: Die Pyramide steht genau dort, wo der Markgraf einst seine Vision hatte«, kommentierte Abraham das Gehörte. »Was bin ich bloß für ein Narr? Diese Verbindung hätte sich mir selbst erschließen können. Und wenn unsere Annahmen richtig sind, werte Gefährten, dann liegt dort unter jener Pyramide nicht nur der Markgraf bestattet …«
»… sondern auch der Mönch Severin!«, beendete Millepertia den Satz. »Wir müssen die anderen verständigen.«
Sie drückte Abraham zurück in ihre Tasche und sprang gemeinsam mit Lukas aus dem Waggon. Er kontaktierte die Bandmitglieder von
Devil’s Tabernacle
mittels seines Handys, und schon eine halbe Stunde später trafen sie sich auf dem weiträumigen, von Statuen umgrenzten Schlossplatz. Dort informierten sie Mephisto und die Devils über ihre Entdeckung.
»Unter der Pyramide also«, knurrte der Teufel in Pudelgestalt. »Dann sollten wir uns das Ding mal ansehen.«
»So einfach ist das nicht«, widersprach Ben, der noch immer seinen Geigenkoffer bei sich trug. »Die Pyramide steht mitten auf dem Marktplatz. Den ganzen Tag über tummeln sich dort Touristen. Wenn wir da schon einbrechen müssen, sollten wir die Nacht abwarten.«
»Nein, wir müssen den Zeitplan einhalten«, widersprach der Teufel. »Heute Nacht werden wir bereits woanders erwartet. Wir müssen die Pyramide jetzt knacken.«
»Wir werden erwartet?«, hakte Adam
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