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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Kräfte entrückt, die von den Ley-Linien ausgehen?«
    »Mille.« Abraham sah unglücklich zu ihr auf. »Ich habe die komplette Stadtstruktur in den letzten zweihundert Jahren bereits mehrfach untersucht. Glaubst du, ein Ort wie dieser wäre einem Geomanten wie mir entgangen? In dem Schlossturm bündeln sich tatsächlich Energien, nur nennt man ihn nicht ohne Grund
Bleiturm.
Was anbei bemerkt bereits einen Affront an sich darstellt, denn Blei stört den Fluss der Kraftlinien. Der Markgraf, oder zumindest sein Architekt, besaß zweifelsohne geomantische Grundkenntnisse. Die Befähigung zu wirklicher Zauberei hingegen spreche ich ihnen ab.«
    »Und warum zentrierte sich dann alles auf den Turm?«, hakte Millepertia nach.
    Abraham hob die Hände. »Es ist überliefert, dass der Markgraf den Turm vorwiegend zu zwei Zwecken aufsuchte. Zum einen, um dort seine kostbaren Tulpenzwiebeln in Empfang zu nehmen. Hier im Schlossgarten«, er deutete nach draußen, »hat er damals weit über zweitausend verschiedene Blumen gezüchtet. Darunter über tausendeinhundert Tulpenarten. Vielleicht hat er sie dort dem geomantischen Kraftstrom ausgesetzt. Das würde seine Züchtungserfolge erklären. Zum anderen«, er lachte trocken, »hat er im Bleiturm einer Heerschar an Kammerzofen beigewohnt. Wer weiß schon so genau, wie sich die Bündelung der Erdenergien auf seine Libido auswirkte? Nicht ohne Grund ist die einstige Markgräfin nie in dieses Schloss eingezogen. Sie wusste um den freizügigen Lebensstil ihres Gatten.«
    »Und dafür der gewaltige bauliche Aufwand?«, fragte Lukas ungläubig.
    »Ich kann nur sagen, was ich weiß.« Der Homunkulus verzog das Gesicht. »Und da ist noch etwas: Wenn wir annehmen, dass hier tatsächlich himmlische Kräfte gewirkt haben, schließt das den Einsatz von Zauberei schon per Definition aus.«
    Lukas sah an Millepertias Blick, dass ihr in diesem Moment dasselbe durch den Kopf ging wie ihm: Die rätselhafte Macht des Hartheus, des Johanniskrauts, ging nicht auf Schwarzalbenwirken, sondern auf himmlische Einflussnahme zurück. Abraham sträubte sich offenbar noch immer gegen den Gedanken, aber die Tatsache, dass Millepertia und nicht Ben von der Vision im Wald heimgesucht worden war, hatte auch den Geomanten vorsichtig werden lassen. Doch ihre Hoffnungen, an diesem Ort irgendeinen Hinweis auf den grigorianischen Gesang zu finden, erfüllten sich nicht.
    »Ob er sich im Turm vielleicht an Engelsbeschwörungen versucht hat?«, fragte Millepertia plötzlich. »Es gibt Gerüchte, nach denen allein der Anblick bestimmter Blumen die Seele in Schwingungen versetzt und so die Kommunikation mit Engeln ermöglicht. Vielleicht war das der Grund, warum der Markgraf seiner botanischen Liebhaberei frönte?«
    »Eine sehr gewagte These«, stellte Abraham fest.
    »Aber du hast dich doch selbst einst mit Engelsbeschwörungen beschäftigt«, widersprach Millepertia. »Und du warst deiner eigenen Aussage nach nicht der Einzige, der …«
    »Der Teufel hat diese abseitige Idee in die Welt gesetzt!«, schnitt ihr Abraham das Wort ab. »Ja, ich habe es versucht, doch wie du weißt, habe ich diesen Forschungen all mein Unglück zu verdanken. Engelsbeschwörungen sind unmöglich.«
    »Aber was, wenn der Markgraf Schloss und Stadt in all dieser geomantischen Akribie erbaute, um wieder in Kontakt mit dem zu kommen, das ihn schon einmal berührt hatte?«, fragte Millepertia. »Was, wenn ihn damals tatsächlich eine himmlische Vision ereilte? Dann ist es doch möglich, dass ihn dieses Erlebnis von Grund auf verändert hat.«
    »Und?«
    »In diesem Fall wären das Schloss, die Struktur der Stadt und alles, was damit zusammenhängt, bloß Folge dieser himmlischen Vision. Quasi das Ergebnis einer unstillbaren Sehnsucht, die den Markgrafen zeit seines Lebens nicht mehr losließ.«
    »Ich stimme dir zu«, sagte Lukas nachdenklich. »Die Sonne als Sinnbild für das Licht in Zeiten tiefster Finsternis. Errichtet für kommende Generationen. Für uns. Das alles so spektakulär und weithin sichtbar, dass man es nicht übersehen kann, und doch so rätselhaft, dass Nichteingeweihte den Sinn nicht verstehen können. Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass hinter alledem himmlisches Wirken steht.«
    »Ich weiß nicht.« Abrahams kleine Gestalt sank in sich zusammen; aus seiner Stimme sprach Verbitterung. »Nur zu gern würde ich daran glauben, dass der Himmel uns Sterbliche noch nicht aufgegeben hat. Trotz all

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