Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
Vom Netzwerk:
echote Lukas.
    »Du musst dir das eher sinnbildlich vorstellen, Alter. Eine Darstellung von Skeletten und Menschen aller Stände und Ränge, die an die Allmacht des Todes gemahnen sollte. Weil der Tod irgendwann alle zum Tanz auffordert. In Lübeck und Basel zum Beispiel gab es in den Kirchen früher mal berühmte Totentänze.«
    »Ihr kennt euch gut aus«, stellte Lukas anerkennend fest.
    »Na ja«, sagte Adam, »sind halt klassische Goten-Themen. Kreuze, Friedhöfe, Totentänze, solche Sachen. Aber ehrlich, ich steh auf den alten Kram. War auch mal die Idee für unseren Bandnamen, übrigens.
Saltatio Mortis.
Ist der lateinische Name für Totentanz. Blöderweise sind uns die Kollegen hier aus Karlsruhe zuvorgekommen. Scheint auch zu ziehen, der Name. Die sind mittlerweile echt gut im Geschäft.«
    »Und das offenbar ganz ohne Teufelspakt«, stichelte Lukas.
    »Wer weiß das schon so genau«, meinte Adam vielsagend. Unwillkürlich grinste er. »Egal. Ich glaub, ich ruf den Lasterbalk einfach mal an. Ist der Drummer von denen. Der ist mir eh noch ein Bier schuldig, seit er mir mal ’ne Frau ausgespannt hat. Mit den richtigen Fragen kriege ich das schon noch raus.«
    »Ach?« Auch Ben grinste. »Sagtest du nicht mal, dass dir keine Frau widersteht?«
    »Schnauze.«
    »Und was soll dieser Totentanz hier?«, fragte Lukas.
    »Keine Ahnung. Frag Ben, der macht ja seit neuestem auf Betschwester«, knurrte der Drummer.
    »Die Betschwester haut dir gleich was aufs Maul«, fuhr ihn der Teufelsgeiger an. »Seht euch lieber um, damit wir rausfinden, wo der verdammte Mönch den Hinweis auf die Engelsmusik versteckt hat.«
    »Da fällt mir nur ein Ort ein.« Adam deutete zur Urne. »Vielleicht verstecken sich da drin Notenblätter?«
    Ben und der Drummer traten an die Urne heran, dann hoben die beiden den Deckel ab. Er löste sich mit einem Schaben. Ben verzog missmutig das Gesicht und griff hinein. Als er den Arm wieder herauszog, war sein Ärmel über und über mit Asche bedeckt.
    »Nichts«, spie er angewidert aus. »Abgesehen von ein paar Knochenstückchen befindet sich da drin wirklich bloß Asche.« Missmutig klopfte er die Asche an seiner Hose ab, wo sie sich mit dem Staub und den Spinnweben vermischte, mit denen jeder von ihnen mittlerweile bedeckt war. Lukas verzog das Gesicht. Sie sahen aus wie eine Abordnung schlecht verkleideter Halloween-Gestalten.
    »Moment mal.« Adam befreite die Außenseite der Urne vom Staub. »Hier ist spiralförmig eine längere lateinische Inschrift angebracht.« Er drehte die Urne ein paar Mal. »Ich kann’s zwar nicht übersetzen, aber Worte wie ›deus‹ und ›angeli‹ dürften hier jedem etwas sagen, oder?«
    Lukas trat neben ihn. »Ein Liedtext?«
    »Gut möglich. Zumindest, wenn wir von einer Art Choral ausgehen.«
    »Abraham könnte die Schrift für uns übersetzen«, meinte Millepertia.
    »Ohne die zugehörige Melodie nützt uns die aber nichts.« Lukas sah auf. »Hat jemand was zum Schreiben dabei?«
    Ben zückte einen Kuli; Lukas kramte wieder seinen Touristenführer hervor. Während ihm Millepertia mit seinem Smartphone leuchtete und er den lateinischen Text abschrieb, untersuchten die Musiker weiter das Grabgewölbe und klopften sogar die Steine ab, fanden jedoch nichts.
    »Ein Satz mit X, das war wohl nix«, seufzte Ben, als Lukas gerade das letzte Wort auf den Einband übertragen hatte. »Ob wir vielleicht an der falschen Stelle suchen?«
    Ratlos sahen sie sich um, bis der Drummer sich noch einmal dem Reigen der Totentänzer näherte und schließlich leise durch die Zähne pfiff. »Ich hab’s, Mann! Der Totenreigen stellt die Melodie der Himmelsmusik dar! Ich hätte schon früher darauf kommen können, denn die moderne Notation war zu Severins Lebzeiten noch gar nicht erfunden. Seht euch die Tanzenden mal genauer an. Erinnern euch ihre Gesten und Körperhaltungen nicht an Noten und Neumen?«
    »Neumen?«, fragte Millepertia.
    »Fingerzeige«, antwortete der Drummer, der nun offenkundig in seinem Element war. Ben beugte sich zu Lukas und Millepertia vor und flüsterte: »Er hat früher Musikwissenschaft studiert. Sogar mit ’ner Doktorarbeit hat er mal angefangen.«
    Der Drummer jedoch ließ sich von dem Geflüstere nicht stören. Mit funkelnden Augen schritt er weiter den Totentanz ab und fuhr begeistert fort: »Man vermutet, dass sich diese Neumen aus den Dirigierbewegungen frühmittelalterlicher Chorleiter ableiteten. Sie kamen im neunten Jahrundert auf und wurden erst

Weitere Kostenlose Bücher