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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Unentschieden. Agrippa von Nettesheim soll ihm ebenfalls entgangen sein, allerdings durch feige Flucht. Und für einen Schwarzkünstler hat Faust auffallend oft die Nähe geistlicher Würdenträger gesucht. Der Bamberger Fürstbischof etwa soll ihm nach einem gelungenen Horoskop Türen in höchste klerikale Kreise geöffnet haben. Oder der damalige Prior des Klosters Rebdorf – dieser gewährte Faust Zutritt zu der damals weltberühmten Klosterbibliothek.«
    »Also war mein Vorfahr hinter irgendetwas her?«
    »Ganz offensichtlich.« Der Zauberer stand auf und trat vor eines der Rundfenster. Gedankenverloren starrte er auf die Silhouette von Worms. »Ich vermute, es ging ihm um den angehäuften Wissensschatz der Kollegen. Er hat darin offenbar nach etwas gesucht, das uns anderen verborgen geblieben ist. Wie es aussieht, könnte er damit Erfolg gehabt haben. Denn wenn es ihm tatsächlich möglich war, Euch von der Hölle aus einen Dämon zu schicken, ist das eine sehr beunruhigende Vorstellung. Es würde nämlich bedeuten, dass Doktor Faust die geltenden Höllengesetze außer Kraft gesetzt hat.«
    »Dann …« Lukas stockte. Da er nicht davon ausging, dass ein Zauberer in der Hölle seine Kräfte behielt, konnte das eigentlich nur eines bedeuten: »Dann ist Doktor Fausts Seele eventuell schon frei?«
    »Hätte
er
dann nicht davon wissen müssen?« Abraham drehte sich zu ihm um. Lukas besann sich der Reaktion, die Mephistopheles in Staufen gezeigt hatte – der Familarteufel hatte Doktor Faust betreffend erstaunt und ratlos gewirkt. Die Anzeichen sprachen also eher dafür, dass die Seele seines Ahnen noch immer in der Hölle schmorte. Die Angelegenheit blieb einstweilen ein Rätsel. Lukas deutete auf das Zauberbuch. »Und darin findet sich nichts, was uns mehr Aufschluss gibt?«
    »Bis jetzt nicht.« Von Worms setzte sich wieder und blätterte die Überreste des Höllenzwangs erneut durch. »Sehr viele Seiten sind uns ja leider nicht geblieben. Und in diesen beschreibt Faust einige bekannte und weniger bekannte Zauberflüche und Rezepturen. Nichts Außergewöhnliches. Wenn auf den Seiten nicht zusätzliche Botschaften mit Zauberei verborgen sind, befürchte ich, dass Nettesheim die aufschlussreicheren Teile des Buches erbeutet hat. Allerdings findet sich auf den hinteren Seiten der Beginn einer mir unbekannten Beschwörung, die leider an der interessanten Stelle abbricht. Ich werde mir den Grimoire heute Abend noch einmal genauer vornehmen. Jetzt aber … wenn ich ehrlich bin, bin ich müde.« Er sah wieder auf. »Möglicherweise hat dieser Sukkubus auch gelogen, und Faust hat ihn gar nicht entsendet.«
    »Und wenn er nicht gelogen hat?« Millepertia deutete ungehalten auf den Zauberer und sich selbst. »Wenn dieser Doktor Faust wirklich einen Weg zum Aufheben eines Höllenpaktes gefunden hat, betrifft das auch uns beide. Dann gibt es vielleicht Hoffnung.«
    »Dann verrate mir, warum ausgerechnet
er
dafür gesorgt hat, dass Fausts Höllenzwang überhaupt in unsere Hände gefallen ist?« Abraham sah Millepertia scharf an. »Nichts, was
er
sagt und tut, geschieht ohne Grund. Alles, was
er
macht, dient ihm allein. Ich will meine Zeit nicht damit verschwenden, einem Phantom nachzujagen.«
    Millepertia wollte etwas erwidern, stattdessen presste sie die Lippen aufeinander und schwieg.
    »Und was geschieht jetzt mit mir?«, fragte Lukas.
    Abraham wog sein Haupt. »Darüber werde ich morgen entscheiden. Vielleicht finde ich einen Platz, an dem Ihr für eine Weile sicher sind.«
    Lukas schüttelte verärgert den Kopf. »Und das war’s jetzt? Ende der Unterhaltung? Ich bin entlassen?«
    »Erst einmal.« Der Magier sah ihn ausdruckslos an. »In der Regel findet sich alles Weitere.«
    »Na toll.«
    Millepertia räumte das Tablett weg, und da sich Abraham wieder in den Höllenzwang vertiefte, marschierte Lukas zurück auf sein Zimmer, hämmerte die Tür hinter sich zu und warf sich aufs Bett. Von draußen schien noch immer die Nachmittagssonne in den Raum, doch ihr Licht schenkte ihm wenig Trost. In welch einen Irrsinn war er da bloß geraten? Existierte dieser geheime Plan zur Tilgung eines Höllenpaktes wirklich? Falls ja, war ein solches Vorhaben an Wahnwitz oder Wahnsinn kaum zu überbieten. Musste es nicht darauf hinauslaufen, den Teufel selbst auszutricksen? Wie sollte so etwas möglich sein? Und noch eine Frage trieb ihn um und schnürte ihm die Kehle zu: Welche Rolle hatte sein Ahne in diesem Spiel für ihn

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