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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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vollständig von Efeu überrankt waren. Abermals siegte seine Neugier. Die Tür sperrte etwas, ließ sich aber öffnen. Hinter ihr erstreckte sich ein staubiges Arbeitszimmer, das schon seit langer Zeit ungenutzt zu sein schien. Spinnweben hingen von Wänden und Decke. Links von ihm, an der Wand neben den verkrauteten Fenstern, erhob sich ein mit Büchern, Zetteln und Schreibmaterialien übersätes Schreibpult. Nicht weit davon entfernt stand eine graustichige Kommode, auf der ein einsamer achtarmiger Chanukka-Leuchter thronte. Auch die hiesigen Regale waren mit Büchern gefüllt, und an den Wänden standen Engelsstatuen in von Spinnweben verhangenen Nischen. Ihr Anblick wirkte auf ihn ebenso gespenstisch wie deprimierend.
    Schließlich fiel sein Licht rechter Hand auf einen großen Wandteppich mit den eingewebten Worten
Portae Lucis,
was er mühsam als ›Pforten des Lichts‹ übersetzte. Unter dem Schriftzug zeigte der Teppich einen Gelehrten, der ein verzweigtes Gebilde aus zehn miteinander verbundenen Kugeln hielt, die hebräische Inschriften trugen. Lukas’ Beschäftigung mit der Historie der Zauberei erwies sich nun als Vorteil. Er wusste, dass dies die zehn Sephiroth waren, die göttlichen Urpotenzen des Weltenbaumes, welche nach Ansicht der Kabbalisten alle Ebenen des Seins durchdrangen.
    Lukas betrat den dunklen Raum, wagte es aber nicht, etwas vom Platz zu nehmen. Bei den Büchern in den Regalen handelte es sich vor allem um Sprachlexika. Die aufwendige Prägeschrift des Folianten auf dem Pult offenbarte sich ihm erst, als er die dicke Staubschicht fortgepustet hatte, die auf dem Einband ruhte:
Buch der wahren Praktik in der uralten göttlichen Magie und in erstaunlichen Dingen, wie sie durch die heilige Kabbala und durch Elohym mitgetheilt worden sammt der Geister- und Wunder-Herrschaft, welche Moses in der Wüste aus dem feurigen Busch erlernet, alle Verborgenheit der Kabbala umfassend.
Darunter stand ein Name:
Abraham ben Rabbi Shimon bar Jehuda ben Rabbi Shimon.
    »Was gibt dir das Recht, hier einzudringen?«
    Lukas fuhr erschrocken herum – in der Tür zum Wintergarten stand Millepertia. Sie sah aus wie eine zum Sprung bereite Katze. »Dachtest du, ich bekäme es nicht mit, wenn jemand durch meine Beete marschiert? Wenn Abraham davon erfährt, wird er dich in hohem Bogen vom Turm werfen!«
    Brüsk wandte sie sich ab und marschierte davon, doch Lukas stürmte hinter ihr her. »Bitte, Mille. Warte.« Vermutlich war es keine gute Idee, sie so vertraulich anzureden, denn sie wirkte jetzt noch gereizter. »Ich habe mich hier oben lediglich etwas umgesehen.«
    »Du nutzt unsere Gastfreundschaft aus.«
    »Nein. Ich dachte, etwas gehört zu haben. Und ja, ich war neugierig. Und?« Er sah sie aufgebracht an. »Bis gestern noch hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir mit Teufeln, Dämonen und Zauberern gekommen wäre. Und jetzt? Jetzt stecke ich mittendrin in etwas, das mir wie ein schlechter Witz vorkommt.« Lukas hob hilflos die Hände. »Ich hab euch sogar den verdammten Höllenzwang überlassen. Was muss noch passieren, damit du begreifst, dass ich nicht der Feind bin?«
    Millepertia funkelte ihn böse an. »Auch das gibt dir nicht das Recht, hier herumzuschnüffeln.«
    »Okay. Sorry. Kommt nicht wieder vor. Aber da
war
etwas in meinem Zimmer!«
    »Ach ja? Außer uns und den Golems ist hier oben nichts.«
    Lukas seufzte. So kam er nicht weiter. »Kannst du mir trotzdem mal verraten, warum du mich die ganze Zeit wie deinen Erzfeind behandelst?«
    »Weil ich spüre, dass du Abraham in Gefahr bringst«, gab sie gereizt zurück. »Die Hölle hat ihm schon übel genug mitgespielt.«
    Obschon Lukas das nicht für die ganze Wahrheit hielt, nickte er knapp und wandte sich erneut dem staubigen Zimmer und den Engelsstatuen zu. »Ich weiß.
Er
hat sich mir gegenüber damit gebrüstet.«
    »Seit damals hat Abraham seine kabbalistischen Forschungen so gut wie eingestellt«, sagte Millepertia. »Dabei wollte er einst aus den heiligen Schriften Wege ableiten, um Gott näherzukommen. Verstehst du? Er ist nicht wie die anderen Zauberer.« Der Regen prasselte immer heftiger gegen die Scheiben.
    Millepertia schien zu überlegen, ob es überhaupt lohnte, mit ihm zu reden. »Abraham gibt es nicht offen zu, aber trotz seiner Verbitterung hoffte er, dass die Himmlischen seine Absichten erkennen und ihm wieder einen Weg zurück ins Licht weisen würden. Aber nichts dergleichen ist geschehen. Wie auch?« Sie lachte

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