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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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sackte die geheime Kammer unter ihnen weg, und sie rauschten in die Tiefe.

Der Helljäger
    L ukas stützte Millepertia und stolperte gemeinsam mit ihr und Abraham durch eine endlos erscheinende Abfolge von Tunneln, Treppen und Gängen. Die Zauberkammer hatte sie nicht am Sockelgeschoss des Turms entlassen, sondern irgendwo tief unter der Erde. Das düstere Gangsystem schien Jahrhunderte auf dem Buckel zu haben. Mal passierten sie brüchige Ziegelwände, dann wieder Gestein, das wie von Krallen bearbeitet wirkte.
    Für Fragen blieb keine Zeit. Abraham von Worms trieb sie unnachgiebig an, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, hinter ihnen wie aus dem Nichts Barrikaden aus Fels zu errichten. Lukas hatte es aufgegeben, sich zu wundern. Der Wahnsinn, der in sein Leben Einzug gehalten hatte, wurde zum Alltag. Er war nur froh, dem Grauen im Turm einigermaßen unbeschadet entronnen zu sein. Die paar Brandblasen an den Händen konnte er verkraften. Millepertia allerdings konnte sich kaum aufrecht halten und verlor immer wieder das Bewusstsein.
    Schließlich erreichten sie den Durchbruch zu einem säuerlich stinkenden Tonnengewölbe, in dem drei große Fässer sowie Regale standen, auf denen staubige Flaschen lagerten. Ein verschütteter Weinkeller? Decke und Boden waren von Rissen übersät; rechter Hand führte eine steinerne Treppe hinauf zu einem Durchgang, der von Steinen und Geröll blockiert war. Schwacher Verkehrslärm verriet, dass sie sich dicht unter dem Stadtgebiet befanden.
    »Gut, kleine Pause«, brummte der alte Zauberer.
    Lukas breitete den unsichtbaren Mantel auf den Treppenstufen aus und bettete Millepertia darauf. Ihre Augenlider flatterten, und sie stöhnte. »Sie braucht dringend einen Arzt.«
    »Vor allem braucht sie frisches Erdreich«, korrigierte ihn der Zauberer. »Sie hat viel Blut verloren.« Er zückte die Kette mit der Armillarsphäre, pendelte den Untergrund vor den Stufen aus und deutete auf eine Steinplatte mit tiefem Riss. »Dort. Helft mir, die Platte hochzuwuchten.«
    Gemeinsam zwängten sie ihre Finger in den Spalt und zerrten, bis die Platte endlich hochkippte. Ein Tausendfüßler huschte davon.
    Der Zauberer nahm Millepertias blasse Rechte mit den Bissspuren und legte sie auf die Erde. Im selben Moment knisterte es, Wurzeln wuchsen aus Handfläche und Ballen und gruben sich tief in den Boden.
    Lukas betrachtete das Phänomen aufmerksam. »Wer oder was ist sie?«
    »Sie ist, was sie ist«, brummte der Zauberer.
    »Halten Sie mich nicht zum Narren.« Zornig sah Lukas auf. »Ich habe gesehen, was aus Mille wurde. Sie hat sich da oben in ein Wesen halb Pflanze, halb Mensch verwandelt. Selbst mir ist klar, dass das keine normale Hexerei ist.«
    Abraham sah ihn eine Weile ernst an. »Na gut. Als die Teufel kamen, um ihre Seele zu holen, hat sie sich in ein Feld aus Hartheu geflüchtet. Johanniskraut. Eine Zauberpflanze, die seit alters her auch als Teufelsfluchkraut bekannt ist, denn angeblich wehrt es Dämonen ab. Millepertia wurde von dem Hartheu nicht bloß gerettet, es ging eine Symbiose mit ihr ein.«
    »Und warum?«
    Der Geomant zuckte mit den Schultern. »Alle meine diesbezüglichen Nachforschungen verliefen im Sande. Ich schließe auf Albenwirken, nur kenne ich den Grund dafür nicht.«
    Lukas sah wieder zu Millepertia hinüber, die wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe am Boden lag. Es schien ihm, als würden sich ihre spröden Lippen langsam glätten. »Ist sie denn noch sie selbst?«
    »Ja. Sonst wäre ich nicht das Wagnis eingegangen, sie bei mir aufzunehmen.« Der Zauberer erhob sich und schob die Armillarsphäre unter seine Kleidung zurück. »Sie und ich sind einander erst vor einigen Jahrzehnten begegnet. Bei einer meiner geomantischen Unternehmungen im Umland der Stadt stieß ich durch Zufall auf sie. Das Johanniskraut hatte ihren Körper wie einen schützenden Kokon umhüllt. Wie ich später erfuhr, hat sie darin fast dreihundert Jahre im Tiefschlaf verbracht. Faszinierenderweise altert sie nicht.«
    »Sie ist also so eine Art Studienobjekt für Sie?«
    »Ich bitte Euch«, gab der Zauberer herablassend zurück. »Gerät Euer Faustsches Blut erneut in Wallung? Weshalb sollten meine Beweggründe für Euch von Interesse sein?«
    Lukas wusste nicht, was er antworten sollte. Er mochte es sich kaum eingestehen, aber trotz der ruppigen Art der Hexe war da etwas an ihr, das ihn rührte. »Dann verraten Sie mir, warum Sie sie bei sich aufgenommen haben. Dient sie Ihnen als

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