Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
wölbte sich der Boden im Beschwörungskreis nach oben. Es knackste, und wie unter großem Druck riss der hölzerne Untergrund auf. Splitter flogen ihnen um die Ohren, als sechs weitere Sandteufel orkanartig aus dem Beschwörungskreis hervorbrachen und sich ebenso wie der erste Gehörnte heulend auf ihre Gegner warfen.
Lukas wandte sich Millepertia zu, deren Körper nur noch halb von gelben Blüten bedeckt war. Die freiliegenden Hautpartien waren von Kratzern und Schrammen übersät und von grünen Pflanzensäften bedeckt. Sie stöhnte.
Abraham von Worms rannte an ihre Seite. Die miniaturisierte Armillarsphäre in der Linken, malte er mit der Rechten Schutzsymbole in die Luft. Als staubige Gebilde verharrten sie vor seiner Brust, nur um auf seinen Wink hin wie Geschosse zwischen die Angreifer zu fahren. Wo sie auftrafen, zerplatzten die Körper der Dämonen wie Gebilde aus fauligem Schlamm.
Lukas, der sich einen Überblick über das Kampfgeschehen zu machen versuchte, durchfuhr die kalte Furcht. Weder die Staubgeschosse noch die wie Derwische wütenden Sandteufel würden dem nicht enden wollenden Strom der Angreifer standhalten können. Immer mehr von ihnen drängten in den Turm.
»Faust, ich kümmere mich um Mille«, herrschte ihn Abraham an. »Lauft Ihr zu der Kiste dort neben dem Schreibtisch, und bringt uns den Mantel! Ich halte Euch den Rücken frei.«
Lukas nickte bloß und stürmte blindlings die Schneise entlang, die Abraham und die Sandteufel freiräumten. Doch die Angreifer rochen den Braten und konzentrierten sich jetzt auf ihn. Während ein furchteinflößender Satyr einen der Sandteufel zerschmetterte, zogen die übrigen Teufel einen schützenden Ring um ihn. Einer der Höllenhunde brach trotzdem zu ihm durch. Schreiend schoss Lukas mit Blitzen um sich, doch deren Macht setzte der Kreatur kaum mehr zu. Die geifernde Bestie setzte bereits zum Sprung an, als ihr Leib mit einem Mal wie ein glühendes Kohlescheit auseinanderbrach. Ein sirrender Ton lag in der Luft, und der Donnerkeil in Lukas’ Händen zerplatzte in einem heißen Funkenregen. Oh nein! Schmerzerfüllt schüttelte er die Hand, stolperte vorwärts, erreichte die Truhe und öffnete sie. Sie war leer.
»Da ist nichts!«, rief er panisch.
»Das Nichts
ist
der Mantel!«, brüllte Abraham von Worms, während er den Satyr mit einem magischen Sandstrahl gegen die Rundfenster schleuderte.
Lukas griff in die Leere, fühlte überraschend Stoff zwischen den Fingern – und sah seine Hand vor seinen Augen unsichtbar werden. Beherzt zog er an dem unerwartet schweren Stoff. Kurz darauf verschwanden auch seine Unterarme. Unter hysterischem Kichern sah er, wie ein weiterer Sandteufel unter dem Angriff der Wilden Jagd zusammenbrach – und warf sich den seltsamen Tarnmantel kurzerhand über Kopf und Schultern. Dann rannte er zurück zu dem Beschwörungskreis. Es war nicht zu glauben! Obwohl einige der aufgeschreckten Kreaturen nach ihm Ausschau hielten, gelang es Lukas, unter dem Mantel an ihnen vorüberzuschlüpfen. Er war tatsächlich unsichtbar!
Erst in unmittelbarer Nähe von Zauberer und Hexe lüpfte er den Umhang. »Ich hab ihn!«, keuchte er.
Der alte Jude fuhr wenig überrascht herum und deutete auf Millepertia, die nun wieder in menschlicher Gestalt neben ihm lag. »Versteckt euch neben dem Eingang«, zischte er und wies unmerklich zu jener Wandstelle, durch die sie am Nachmittag das Turmzimmer betreten hatten.
Lukas warf den Tarnmantel auch über die Hexe und schleppte die Benommene aus der Gefahrenzone.
Abraham von Worms schoss weitere Bannzeichen auf die Dämonenschar und rief dann etwas auf Hebräisch, das wie ein Kommando klang. Staunend sah Lukas, wie drei der Sandteufel plötzlich menschliche Formen annahmen, während sich die beiden verbliebenen Drachengolems zu dem Zauberer zurückzogen. Im selben Moment explodierte etwas mitten im Raum, und eine gewaltige Staubwolke rollte wie ein Sandsturm durch das verwüstete Turmzimmer. Die Sichtverhältnisse reduzierten sich von einem Moment zum anderen auf null.
Lukas hustete, spuckte und versuchte sich und Millepertia inmitten all des Chaos so gut wie möglich vor dem Sand zu schützen – als er eine Bewegung am Umhang spürte. »Still jetzt!«, flüsterte Abraham von Worms ihm zu. »Jetzt wird sich zeigen, ob wir es schaffen, die Brut auszutricksen.«
Inmitten der Staubwolke konnte Lukas die Konturen der verbliebenen beiden Drachengolems ausmachen. Wild schlugen sie mit den Flügeln
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