Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

aufeinander ein.
    Von der Galerie rauschten zwei weitere Drachengolems zu ihnen herab. Keinen Augenblick zu spät, denn ein weiteres Rundfenster splitterte, und eine koboldhafte Gestalt mit krummer Nase und Jagdspieß galoppierte auf einem schwarzen Geißbock auf sie zu. Mit ihm stürzten zwei Höllenhunde in das Zimmer, die jedoch von den Drachen aufgehalten wurden. Kobold und Geißbock hingegen galoppierten unbeeindruckt weiter. Lukas wühlte panisch in seiner Jackentasche, zückte den Donnerkeil und deutete in hilflosem Entsetzen auf die Koboldgestalt. Wie schon in Staufen war der Versuch erfolglos.
    Abraham, der in diesem Augenblick seinen Beschwörungskreis beendet hatte, sah auf. »Bei allen Cherubim, Ihr habt einen Donnerkeil?«, fluchte er. »Wenn er aufgeladen ist, haltet uns gefälligst diese Bestien vom Leib.«
    »Wie denn?«, keuchte Lukas mit von blanker Panik erstickter Stimme.
    »Ich dachte, Ihr seid ein Faust. Haltet das Ding richtig herum!«
    Was? Aber er hielt die Kristallröhre doch genau so, wie es ihm Mephisto gesagt hatte! Rasch drehte er den Donnerkeil und hieb mit ihm in Richtung eines Höllenhundes. Ein lauter Knall brachte seine Ohren zum Klingen, und ein greller Lichtblitz fegte die fahlweiße Kreatur von den Beinen. Mit rauchendem Fell blieb sie liegen und winselte.
    Mephisto! Lukas konnte nicht glauben, wie leicht ihn der hinterhältige Familarteufel reingelegt hatte. Sofort stand er Millepertia mit einem zweiten Blitzschlag bei. Die Drude taumelte getroffen zurück, und die Hexe erwürgte sie kurzerhand mit ihren Rankenarmen.
    Lukas’ Kampfgeist war geweckt. Er erledigte mit dem Donnerkeil zwei weitere Höllenhunde, die den ersten nachgefolgt waren, und setzte gerade zu einem Jubelschrei an, als seine Zimmertür oben auf der Galerie aufflog. Heraus stürmte ein ganzes Rudel der vierbeinigen Bestien. Im gleichen Augenblick bäumte sich der Geißbock auf, und der auf ihm reitende Kobold rammte seinen Spieß tief in den Leib eines der Drachenwächter. Knirschend brach der Golem auseinander.
    »Haltet aus!«, rief Abraham von Worms. »Ich versuche einen Sandteufel zu rufen. Betet, dass wir es mit seiner Hilfe schaffen, an den Mantel zu gelangen.«
    Lukas hatte weder eine Ahnung, wovon der Zauberer sprach, noch blieb ihm Zeit, nachzufragen. Seite an Seite mit der verwandelten Millepertia half er den drei verbliebenen Golems mit Blitzschlägen und Hexenkräften, die Angreifer abzuwehren. Doch während der Zauberer unentwegt Formeln intonierte, verloren die Blitzschläge des Donnerkeils an Kraft. Die Leiber der Golems wiesen zahllose Risse auf; auch Millepertias Bewegungen wurden langsamer. Warum dauerte das so lange?!
    Mehr und mehr Schauergestalten der Wilden Jagd drangen in das Turmzimmer ein; unter ihnen Spukgestalten mit wehenden Gewändern, geflügelte Schlangen und entstellte Leichname, die funkensprühende Peitschen schwangen. Einer der Peitschenstränge züngelte quer durch den Raum in Lukas’ Richtung. Schnell sprang er zur Seite, Millepertia warf die Rankenhände nach vorn, und wie von einem Hexenschuss getroffen, bäumte sich die Kreatur auf und kippte hintenüber.
    Als in der Mitte von Abrahams Beschwörungskreis unter lautem Brausen eine sandige Windhose emporwuchs, die sich innerhalb von Augenblicken zu einer humanoiden Hörnergestalt mit trichterförmigen Augen und Dreizack in den Händen verdichtete, konnte Lukas sich nicht entscheiden, ob er jubeln oder schreien wollte.
    »Ich befehle dir, mir zu gehorchen!«, donnerte Abrahams Stimme.
    »Ich gehorche! Ich gehorche!«, jaulte der beschworene Teufel mit einer Demut, die Lukas überraschte. »Ich tue überhaupt alles, wenn Ihr es uns bloß gestattet, in Eurer Sphäre zu bleiben.«
    Lukas, der den zunehmend heißer werdenden Donnerkeil in die Linke wechselte, warf dem Teufel einen überraschten Blick zu. Auch Abraham schien die Offerte zu erstaunen. »Uns?«
    »Wir sind sieben, Zauberer!« Die Stimme des Sandteufels klang panisch. »Bitte, wir dienen Euch zu allen Konditionen. Nur schickt uns nicht wieder zurück.«
    Einer der Drachengolems wurde von einer kräftigen Satyrgestalt gegen ein Regal geschleudert und zerbröselte zu Staub, während Millepertia erst eine der wandelnden Leichen in gelblich grünes Gestrüpp hüllte und dann ächzend in die Knie ging.
    »Her mit euch!«, befahl Abraham von Worms. »Kämpft! Gehorcht! Nur Menschen sind für euch tabu!«
    Als hätten die Sandteufel bloß auf diese Gelegenheit gewartet,