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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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und stürzten durch die Rundfenster ins Freie. Erst jetzt entdeckte Lukas die drei Wesen auf den Golem-Rücken, deren Silhouetten vage den ihrigen ähnelten. Waren das etwa die Sandteufel? Zumindest die Wilde Jagd schien genau dies zu glauben, denn unter lautem Wutgeheul folgte die Dämonenschar den Golems hinaus in die Nacht.
    Als sich der Staub gelegt hatte, schlug Abraham den Mantel zurück und verbannte mit seinen Zaubern die letzten beiden Höllenhunde, die im Turm zurückgeblieben waren. »Schnell, zum Schacht!«, rief er ihm und Millepertia zu, während er selbst zu einem intakten Regal hastete und dort einige Dinge zusammenklaubte.
    Lukas tat, wie ihm geheißen, und half Millepertia aufzustehen. Ihr Blick war glasig, und sie war kaum ansprechbar. »Nicht bewusstlos werden, hörst du!« Er schlug ihr sanft gegen die Wange, und sie nickte. Fahrig tastete sie die Ziegel ab. Wie am Nachmittag öffnete sich vor ihnen die verborgene Aufzugskammer in der Wand. Den Mantel mit sich ziehend, stolperten sie hinein. Abraham hatte gerade zu ihnen aufgeschlossen, als eine befehlsgewohnte Stimme durch das Turmzimmer dröhnte: »Gebt auf!«
    Der Zauberer fuhr herum, und Lukas folgte seinem Blick. Tatsächlich – ganz hinten, neben einem der geborstenen Rundfenster, stand jemand! Der Eindringling war schlank, trug ein schwarzes, knöchellanges Gewand mit dunklem Pelzbesatz an Kragen und Schultern und eine dunkle Lederkappe über der hohen Stirn. Schnurr- und Backenbart waren auf altmodische Weise gewachst. Lukas schätzte den Mann auf etwa sechzig Jahre.
    Auch wenn der Fremde sie nahezu ausdruckslos musterte, beschlich Lukas das Gefühl, dass dem Blick des Mannes nichts entging.
    »Wer seid Ihr?«, grollte Abraham.
    »Jemand, dem ebenso wie Ihnen daran gelegen ist, für tot gehalten zu werden.« Der Fremde lächelte und präsentierte eine düster glosende Kristallkugel. Lukas glaubte in der Stimme einen leichten Akzent zu hören. »Sie sehen mich übrigens überrascht, Abraham von Worms. Ich bin Ihnen in all den Jahren tatsächlich auf den Leim gegangen.«
    Lukas war sich nun sicher, dass der Mann Engländer war.
    »Was gibt Euch das Recht, mich und meine Gäste anzugreifen?«, zischte der alte Jude.
    »Die Umstände, geschätzter Kollege.« Der Fremde lächelte kalt. »Händigen Sie mir den Rest von Fausts Höllenzwang aus, und ich verschone Sie und Ihre Gäste.«
    Abraham hob kampfbereit die Armillarsphäre. »Ihr glaubt tatsächlich, mich ausgerechnet in meinem eigenen Heim bedrohen zu können?«
    »Verstehe.« Die Augen des Fremden nahmen wieder jenen raubtiergleich taxierenden Ausdruck an. »Sie möchten sich Ihre Beute nicht aus den Händen nehmen lassen. Nachvollziehbar. Aber dumm.« Er trat zur Seite. »Ich denke zwar, dass ich Ihnen weit überlegen bin, dennoch werde ich nicht den Fehler begehen, es auf den letzten Metern vor dem Ziel darauf ankommen zu lassen. Nicht ich werde Sie töten. Dieses Vergnügen sei einem anderen gestattet.«
    Hinter dem Rundfenster flammte ein grelles Licht auf, dessen Schein sich kränklich über die Verwüstungen im Turmzimmer legte. Und mit dem Licht kam die Kälte. Wie eine Woge rollte sie heran. In Windeseile kroch Rauhreif an Wänden und Trümmerteilen empor. Lukas wich zitternd zurück und sah, dass sein Atem kleine Wölkchen bildete. »Was ist das?«
    Ein lautes Wiehern hallte durch den Raum. Die Luft stank jetzt nach Schimmel und verrotteten Pflanzen. Aus dem Lichtschein preschte ein halbverwester Falbe auf sie zu, dessen Zügel von einem übergroßen Skelett in weißem Leichenhemd gehalten wurden. Eine fünfzackige Dämonenkrone krönte den bleichen Schädel; die Lichtpunkte in den knöchernen Augenhöhlen glühten silbrig und waren feindselig auf Lukas gerichtet.
    Abraham rief etwas auf Hebräisch und feuerte drei seiner Bannzeichen auf den Reiter ab, doch die staubigen Gebilde zerschellten an der dämonischen Gestalt, wie Rauch, der gegen eine Granitsäule wehte. Erneut fuhr der Zauberer mit der Hand durch die Luft. Das große Pendel im Raum schlug jäh nach rechts aus, traf Ross und Reiter hart in die Flanken und schleuderte beide im Galopp beiseite. Lukas sah noch, wie sich der halbverweste Gaul unter dem Kommando des Skeletts wieder aufrichtete, doch die Mauer vor ihnen schloss sich bereits.
    »Wer war das?«, rief Lukas entgeistert.
    »Der Helljäger!«, antwortete Abraham, und Lukas stellte beunruhigt fest, dass die Stimme des Geomanten zitterte.
    In diesem Moment

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