Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
auf eine Tür am Ende der Vorhalle zu. Mit dem offenen Tarnumhang, der immer wieder Teile seines Körpers verbarg, wirkte er wie ein Geist.
Sie durchmaßen luxuriös eingerichtete Räume, die von dem verschwenderischen Lebensstil von Nettesheims zeugten: einen mahagonigetäfelten Speisesaal, ein altertümliches Raucherzimmer und gleich mehrere Salons, die von teuren Rokoko-Möbeln, persischen Teppichen und alten Gemälden überquollen. Sie zeugten in der wahllosen Zusammenstellung sündhaft teurer Kostbarkeiten vor allem vom schlechten Geschmack des Hausherrn.
Die Verwüstungen im Erdgeschoss hielten sich in Grenzen. In der modern eingerichteten Küche jedoch stießen sie auf den schrecklich zugerichteten Leichnam einer jungen Bediensteten. Ihr Körper war übersät mit tiefen Bissen und Kratzwunden.
Lukas keuchte. »Die bringen wirklich Menschen um!«, entfuhr es ihm.
»Natürlich tun sie das«, entgegnete Abraham ruhig.
»Aber diese Frau hatte doch ganz sicher nichts mit alledem zu schaffen.«
»Denkt Ihr, die Hölle trägt ihren Namen zu Unrecht?«
Lukas schluckte und spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Bis jetzt hatte er sich an die Hoffnung geklammert, irgendwie heil aus der Sache herauskommen zu können. Schließlich fühlte er sich völlig unschuldig an all dem Wahnsinn um sich herum. Doch die Leiche der jungen Frau ließ keinen Zweifel offen. Die Höllenmächte würden auch ihn nicht verschonen. Er atmete tief aus und ein, doch noch immer liefen ihm kalte Schauer über den Rücken.
»Ich schätze, der Angriff auf das Haus erfolgte bereits letzte Nacht«, hörte er Millepertia sagen, doch im Grunde wollte er all das gar nicht so genau wissen. Er wollte an etwas anderes denken, an irgendetwas, sich ablenken und die tote Frau zu seinen Füßen vergessen. Entschlossen betrat er einen benachbarten Gang, stieß dort auf den Zugang zu einer Kühlkammer sowie eine angelehnte Tür und öffnete sie. Angesichts der vielen Monitore, die sich in diesem Raum befanden, stieß er einen leisen Pfiff aus. Ein Überwachungsraum. Von Nettesheim setzte offenbar nicht auf Zauberei allein. Lukas betrat das Zimmer mit der Waffe im Anschlag und hörte, wie Millepertia und Abraham ihm folgten. Kurz darauf steckten auch sie die Köpfe in den Raum.
»Was ist das hier?«, wollte die Hexe wissen.
Lukas erklärte ihr die Funktion des Zimmers und schritt interessiert die Monitore ab. Fast die Hälfte der Kameras war ausgefallen. Von jenen, die noch ihren Dienst versahen, waren einige auf den Garten und andere auf unbekannte Räumlichkeiten im Haus gerichtet. Darunter befanden sich eine verwüstete Bibliothek, zwei Schauräume mit Glasvitrinen, das mittelalterlich anmutende Gemälde eines uralten Mannes, dessen Gesicht trotz der Runzeln und Falten eine gewisse Ähnlichkeit mit von Nettesheim aufwies, und ein hochmodern ausgerüstetes Laboratorium. Lukas blieb vor einem der Bildschirme stehen und stutzte. »Was ist das denn?« Die Überwachungskamera war auf ein dämmriges Kellergewölbe gerichtet, in dem sich drei oder vier gefährlich anmutende Kreaturen mit Katzenköpfen, kräftigen Krallenarmen und langen schwarzen Schlangenleibern wanden.
Abraham trat an den Monitor heran, dessen Bild sofort körnig wurde. »Tatzelwürmer!« Er schnaubte missbilligend und richtete sich wieder auf. Das Bild klarte wieder auf. »Die Biester sind ebenso angriffslustig wie selten. Ich wette, Agrippa hält sie zu Verteidigungszwecken. Dass sie noch in ihrem Versteck sind, deutet darauf hin, wie rasch der Angriff auf die Villa erfolgt sein muss.«
»Seht mal hier!« Millepertia deutete auf einen Monitor weiter links, der ein großes Arbeitszimmer zeigte. Auf dessen Boden lag ein junger Mann mit Backenbart und altertümlicher Unterwäsche auf dem Rücken; Arme und Beine waren gefesselt und x-förmig abgespreizt. Der Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen.
»Das ist von Nettesheim!«, rief Lukas.
»Sieh an«, murmelte Abraham. »Agrippa war bei unserer letzten Begegnung ein alter Mann. Könnt Ihr sehen, wo er sich befindet?«
Lukas überprüfte die Anordnung der Monitore. »Vermutlich irgendwo in den oberen Geschossen.«
Der Zauberer wandte sich bereits ab, doch Lukas hielt ihn auf. »Warten Sie. Wenn Dee Agrippa am Leben gelassen hat, müssen wir dann nicht mit weiteren Überraschungen rechnen?«
»Durchaus möglich.« Abraham runzelte die Stirn. »Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Na, es muss doch einen Grund dafür geben,
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