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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Probleme!
    Abraham deutete auf ein weitläufiges Grundstück zu ihrer Rechten. Hinter einer hohen Mauer samt gusseiserner Toreinfahrt ragten hohe Bäume auf, und Dach und Fassade eines eleganten und mindestens dreistöckigen Herrenhauses schälten sich schemenhaft aus der Dunkelheit. »Wir sind da«, brummte der alte Jude. »Wenn die Ghule wahr gesprochen haben, befindet sich von Nettesheims derzeitiges Domizil hier.«
    Lukas fuhr etwas weiter und parkte am Straßenrand neben einem Stromverteilerkasten. Misstrauisch blickte er die kopfsteingepflasterte Straße zurück. »Und jetzt? Das Grundstück ist doch bestimmt magisch gesichert.«
    »Wir werden uns einen Überblick verschaffen«, sagte Millepertia. »Kannst du klettern?«
    »Ich denke schon. Warum?«
    Sie öffnete ohne eine Antwort die Fondtür, und Lukas und Abraham folgten ihr hinaus in die Nacht. Die Luft roch waldig, in der Ferne erklang leise Musik und perlendes Frauengelächter. Millepertia reichte Lukas den Tarnmantel und deutete hinüber zu einer der Straßenlaternen vor dem Grundstück von Nettesheims.
    »Gute Idee«, brummte Abraham, der offenbar ahnte, was sie plante. Er packte Linsen und Lederrohr aus, montierte sie umständlich zu einem Fernrohr zusammen und reichte es Lukas, der seinerseits die Tasche mit der Jagdflinte aus der Limousine kramte. »Hier. Dieses Spektiv enthüllt arkanes Wirken, wenn es in den Sichtkreis der Linsen gerät.«
    Lukas nahm das Fernrohr an sich und sah, dass Millepertia unter einer Straßenlaterne vor der Mauer in die Hocke ging und sich mit einer Nadel in den Finger stach. Ausgehend von der Wunde verwandelte sie sich erneut in ein bizarr anmutendes Pflanzenwesen, das wie eine Mischung aus Mensch und Johanniskrautbusch aussah.
    Lukas wusste noch immer nicht, was er davon halten sollte. Mit starrer Miene beobachtete er, wie sich die blühenden Hartheuranken an dem Laternenmast emporwickelten und die Leuchte am oberen Ende so lange umrankten, bis ihr Teil der Straße in völliger Dunkelheit lag.
    »Mach schon!«, forderte Millepertia ihn mit eigentümlicher Knisterstimme auf, und endlich begriff Lukas. Er rückte den Tarnmantel zurecht, stieg leicht befremdet auf Millepertias struppige Schultern und kletterte mit Hilfe zahlreicher schlaufenförmig herabhängender Ranken die Laterne nach oben. Wie erhofft, hatte er von hier einen exzellenten Blick auf das Grundstück hinter der Mauer, das mit den vielen Bäumen, Büschen und Hecken eher einem kleinen Park als einem Garten glich. Agrippa von Nettesheim wusste ganz eindeutig zu leben.
    Lukas reckte sich und fasste die protzige Villa ins Auge. Das dreigeschossige Gebäude war weiß gestrichen und entstammte vermutlich dem neunzehnten Jahrhundert. Ein weißer Kiesweg schlängelte sich vom Tor auf einen säulengeschmückten Vorbau zu. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckte er zudem eine Veranda, eine Dachterrasse und sogar einen viereckigen Turm, der dem Anwesen eine besonders herrschaftliche Note gab. Alles wirkte ruhig und unverdächtig – bis auf die knappe Bewegung weiter rechts im Garten. Aus Richtung einer Gartenlaube trottete ein Hund auf den Rasen. Eine Bulldogge? Lukas hob das Spektiv und betrachtete Grundstück und Haus erstmals durch die magische Linsenkonstruktion. Vor Überraschung wäre er fast vom Laternenmast gefallen. Das runde Sichtfeld wurde von wabernden Flammen umzüngelt, die das Bild im Spektiv in rote und hellgelbe Schatten hüllten. Lukas rückte die Bulldogge näher heran und erkannte zu seinem Entsetzen, dass das Tier bloß eine Illusion war. Tatsächlich hockte auf dem Rasen einer dieser zweischwänzigen Höllenhunde, die er schon von ihrem Zusammenstoß mit der Wilden Jagd her kannte!
    Alarmiert suchte er das Grundstück weiter ab und entdeckte zwischen den Bäumen einen weiteren Höllenhund, der an etwas nagte, das er nicht erkennen konnte. Schließlich nahm er die Villa selbst in Augenschein – und atmete tief ein. Das stattliche Gebäude wirkte in dem Spektiv, als sei es erst kürzlich Opfer eines Orkans geworden. Zahlreiche Fenster waren zertrümmert, die Beete vor dem Haus mit Dachschindeln übersät, und vor der Treppe mit der zerschmetterten Eingangstür lagen zwei zerbrochene Skulpturen, die so wirkten, als wären sie aus großer Höhe von der Fassade gefallen. »Ach du Scheiße!«
    »Was?«, ertönte Abrahams Stimme von unten.
    Lukas kletterte den Laternenmast wieder nach unten, schlug den Tarnmantel zurück,

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