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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Zentrum des Kampfes zu nähern. Die Fenster zum Garten waren größtenteils zersplittert, und sie schritten durch verwüstete Bibliotheken und Schauräume, die deutlich mehr an die Heimstatt eines Magiers erinnerten als die Räume zuvor.
    Abraham sammelte einige der Zauberschriften vom Boden auf und blätterte sie durch. »Mille, sieh dir das an: Bildzauberei!«, brummte er.
    »Was bitte?« Lukas sah ihn fragend an.
    Abraham wies auf die beschädigten Buchbestände um sie herum. »Agrippa scheint ein ausgeprägtes Interesse an Invultuationen zu haben. Bildmagie aller Art. Es geht darum, ein möglichst plastisches Abbild des Opfers zu erstellen, um so auf die Ferne Liebeszauber, Flüche und jede andere Form von schwarzer Magie zu wirken. Vielleicht waren all die Gemälde doch nicht bloß einfache Trophäen.«
    »Agrippa von Nettesheim ist ein mieses Dreckschwein!«, fluchte Millepertia, und Lukas teilte ihre Einschätzung.
    Sie passierten einen Raum, an dem sich vermutlich Schutzsiegel an den Wänden befunden hatten, von denen jetzt aber nur noch schwarze, eingebrannte Flecken zeugten. In einem von Asche übersäten Saal mit zerstörten Vitrinen entdeckte Millepertia eine weitere Tür, öffnete sie und pfiff leise durch die Zähne. »Seht euch das mal an.«
    Sie hatten das große Laboratorium gefunden, das sie bereits unten im Überwachungsraum gesehen hatten. Von Nettesheim setzte auch hier auf moderne Technik. Zwar befand sich auf dem mit Glassplittern übersäten Boden ein großer Beschwörungskreis, doch statt altertümlicher Kolben und Retorten bevölkerten die Arbeitstische und Regale Liebigkühler, Analysegeräte, Zentrifugen und andere technische Gerätschaften. Die Apparaturen und Instrumente standen Seite an Seite mit Flaschen und Dosen, deren Inhalte schon eher dem entsprachen, was Lukas von einem mittelalterlichen Alchimisten erwartete. Darunter befanden sich beschriftete Gefäße mit Mumienstaub, Haut- und Knochenteile von Moorleichen, Quecksilber, Salpeter, getrocknete Amphibien und sogar Fläschchen mit geronnenem Menstruationsblut und der Aufschrift
Armesünderfett.
Lukas schüttelte sich. Das Interessanteste in dem Raum jedoch war, dass die Schneise der Zerstörung geradewegs auf eine Türflucht zulief, hinter der Treppenstufen nach oben auszumachen waren. Das musste der Zugang zum Turm der Villa sein.
    Sie gingen weiter, als Lukas verblüfft innehielt. »Abraham, bitte sagen Sie mir, was das dort ist.« Er deutete mit der Flinte auf einen großen, mit gelblicher Flüssigkeit gefüllten Glaszylinder, in dem ein knapp unterarmgroßes, menschenähnliches Geschöpf mit faserigem Alraunenleib schwebte. Struppige Haare standen von dem viel zu großen Kopf ab, und die Augen waren geschlossen, als schliefe das Wesen.
    »Das ist in höchstem Maße erstaunlich!« Abraham näherte sich dem Glaszylinder und beäugte das Geschöpf interessiert. »Nach meinem Dafürhalten ist das ein Homunkulus. Ein künstliches Menschlein.«
    Lukas erinnerte sich, davon schon einmal gehört zu haben. »Ich dachte, so ein Homunkulus sei bloß eine philosophische Figur.«
    »Oh nein.« Abraham lächelte. »Schon in den antiken alchimistischen Schriften wurde die Erschaffung eines solchen Miniaturmenschen angedeutet. Der Erste, dem dies in unseren Breiten gelungen sein soll, war Paracelsus. Er beschreibt den Homunkulus in seiner Schrift
De natura rerum.
Leider hatte er mit der Beseelung dieses Wesens Probleme.« Der Zauberer öffnete die Schnappriegel des Messingdeckels, mit dem der Zylinder verschlossen war, und klappte ihn auf. Ein eitriger Geruch wehte ihnen entgegen. Lukas rümpfte die Nase. »Ähnlichen Problemen stehen wir Kabbalisten bei den Golems gegenüber. Denn einem weitverbreiteten Irrglauben gemäß ist es nicht etwa Gottes wahrer Name, der Geschöpfe wie sie beseelt, es sind Naturgeister, die unsereins heraufbeschwören muss, um ihnen Leben einzuhauchen. Gott lässt sich eben nicht ins Handwerk pfuschen. Allerdings soll ein Homunkulus zu weit größeren Verstandesleistungen imstande sein als ein Golem. Ich kenne Schriften, in denen angedeutet wird, dass Paracelsus seinen Geist in diese Wesen zu transferieren vermochte. Auf diese Weise war es ihm möglich, Orte aufzusuchen, die ihm als Mensch verschlossen geblieben wären.« Der Zauberer griff zu einem Glasstab, tauchte ihn in die trübe Flüssigkeit und stupste den Homunkulus an. Das kleine Menschlein zuckte kurz zusammen. »Er lebt tatsächlich«, stellte Abraham

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