Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
dass in der Hölle Aufruhr herrscht und Mephisto noch im Spiel ist. Aber beides kann sich natürlich jederzeit ändern.« Er seufzte. »Nähern wir uns unserer ursprünglichen Fragestellung also von einem anderen Winkel aus: Offenbar haben es alle beteiligten Parteien für notwendig erachtetet, mit Lukas Faust Johanns Nachfolger ins Rennen zu schicken. Warum?« Er betrachtete Lukas nachdenklich und wandte sich dann dem am Boden liegenden von Nettesheim zu. »Vielleicht beantwortest du uns diese Frage?«
Agrippa stöhnte ungehalten. »Als damals das Gerücht die Runde machte, dass Faust in Staufen vom Teufel geholt wurde, war ich der Erste, der sich in seinem verwüsteten Zimmer umsah. Damals habe ich entdeckt, dass er dort etwas mit einem babylonischen Blutsiegel abgesichert hatte.«
»Blutsiegel?« Lukas runzelte die Stirn.
»Eine magische Sicherung«, sprang Abraham ein. »Sie verhindert, dass niemand außer dem Zauberer selbst ein bestimmtes Versteck findet. Oder – im Falle seines Ablebens – ein Zauberer der eigenen Familie.«
»Hat nur leider dreizehn Generationen gedauert, bis die Fausts wieder einen Nachfahren mit seinem Potenzial hervorgebracht haben«, schimpfte von Nettesheim. Wütend fixierte er Lukas. »Ganz zu schweigen davon, dass die Sterne erst wieder richtig stehen mussten, damit sich in Staufen das Versteck offenbaren konnte. Eigentlich wollte ich dich selbst dorthin bringen, Junge. Du hast ja keine Ahnung, wie lange ich dich schon beobachtet habe. Aber dann bemerkte ich, dass dieser Sukkubus mit dir Kontakt aufnahm. Also beschloss ich, abzuwarten und herauszufinden, wer mir da in die Quere kommen wollte. An den Rest der Geschichte solltest du dich erinnern.«
»Ja, vor allem daran, dass Sie mich umbringen wollten!«, herrschte ihn Lukas an.
»Auf jeden Fall hast du genug Zeit gehabt, Fausts Höllenzwang zu untersuchen«, mischte sich Abraham wieder ein. Er beugte sich über Agrippa und fixierte ihn mit festem Blick. »Also, was hast du herausgefunden?« Seine Stimme war leiser geworden, eindringlicher, und Lukas lief ein Schauer über den Rücken.
Nettesheim lachte geziert. »Ach komm schon, Abraham. Wenn du und der Junge so dicke seid, bedeutet das zweifelsohne, dass du den anderen Teil des Grimoires besitzt. Wie wäre es, wenn wir unsere Erkenntnisse teilen?«
»Also gab es Erkenntnisse?«
Agrippa lächelte ölig. »Sicher. Ich habe die Reste des Folianten mit allen magischen und technischen Mitteln untersucht, die mir in der kurzen Zeit zur Verfügung standen. Sieh dir nur mein Labor an, dann weißt du, dass ich stets auf der Höhe der Zeit geblieben bin.«
»Das ist uns nicht entgangen. Auch nicht dein kleiner Versuch da unten im Labor, Gott zu spielen, im verzweifelten Bemühen, künstliches Leben zu erschaffen.«
»Ach ja?« Agrippas Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an, und Lukas spürte, wie es hinter der hohen Stirn arbeitete. Zu gern hätte er gewusst, was dem Mann durch den Kopf ging. »Dann weißt du ja, dass ich nicht bluffe. Nur musst du mir schon etwas entgegenkommen. Denk nur an den Lohn! Den Höllenpakt zu brechen, das ist doch das, was jeder von uns will, oder?«
Abraham schnaubte. »Eine verlockende Aussicht, unbenommen. Nur frage ich mich, wie von einem solchen Arrangement mehr als nur einer profitieren soll?«
Während Agrippa über eine Antwort nachzudenken schien, winkte Lukas Abraham und Millepertia zu sich. »Könnten wir mal kurz unter sechs Augen sprechen?«, flüsterte er. Die beiden nickten, folgten ihm ins Treppenhaus, und er senkte seine Stimme. »Also mir ist es ehrlich gesagt egal, wer über die Hölle herrscht. Ich würde es euch auch gönnen, wenn ihr euch von dem Höllenpakt befreit. Aber ich hoffe, jedem hier ist klar, dass uns dieser Dandy in Unterhosen bei der erstbesten Gelegenheit hereinlegt.«
»Natürlich wird er das«, sagte der alte Geomant. »Ihr habt einen anderen Vorschlag?«
»Ich möchte, dass ihr alles in eurer Macht Stehende tut, damit ich mein normales Leben zurückbekomme. Schwört ihr mir das? Dann hätte ich tatsächlich eine Idee.«
Abraham und Millepertia tauschten überraschte Blicke. Schließlich antwortete die Hexe: »Das können wir dir nicht versprechen. Die Hölle ist bereits auf dich aufmerksam geworden. Wir könnten dir nur helfen, dich vor Teufeln und Dämonen zu verbergen. Mehr ist nicht drin.«
Lukas seufzte. Er hatte sich mehr erhofft. »Also gut.« Er atmete tief ein. »Agrippa von Nettesheim gab doch
Weitere Kostenlose Bücher