Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Hoffnungen sprach, und von mehr Schmerz, als jemand in seinem Alter erfahren haben sollte.
Ich küsste seine Finger, dann schmiegte ich mein Gesicht in seine Hand. »Ich will, dass dieser Blick eines Tages nicht mehr in deine Augen kommt. Ich will, dass es so viel Gutes in deinem Leben gibt, dass es alles wettmacht.«
Er lächelte mich so zärtlich an, ich musste wegsehen. »Weißt du, Anita, du glaubst, du bist hart und benutzt andere, aber das ist beides nicht wahr.«
Ich entzog mich ein bisschen. »Ich kann hart sein, wenn ich muss.«
»Aber nicht zu mir und nicht zu Micah. Zu keinem, zu dem du nett sein kannst. Wenn sich einer beschissen verhält, tust du es auch, aber erst mal gibst du jedem eine Chance.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin kein so guter Mensch, Nathaniel.«
Lächelnd berührte er meine zerkratzte Wange. Ich zuckte zusammen. »Doch, das bist du. Du gibst es nur nicht gerne zu.«
»Besser, wir ziehen uns jetzt an und lassen uns draußen sehen, bevor sie die Polizei rufen.«
»Bert ruft nicht die Polizei. Er hat viel zu viel Angst vor schlechter Publicity.«
Ich lachte. »Du bist Bert kaum begegnet und kennst ihn schon ziemlich gut.«
»Leute wie ihn habe ich schon oft erlebt. Er ist nicht so übel wie andere, aber es ist dieselbe Denkweise. Er will, dass seine Geldmaschine weiter Geld produziert, das ist ihm wichtiger, als andere unbeschadet oder glücklich zu sehen.«
Ich blickte in dieses schrecklich junge Gesicht, aber es war kein junger Mann, der mich daraus ansah. In meinem Leben hatte ich schon allerhand gesehen, aber Nathaniel hatte Dinge erlebt, die mich zerbrochen hätten. Oder zumindest völlig verstört hätten. Ich nahm sein Gesicht in beide Hände und sagte: »Was soll ich nur mit dir machen?«
»Liebe«, sagte er leise und tief ernst.
Ich versuchte, es ins Witzige zu kehren. »Aber du bestehst nicht gerade jetzt darauf, hoffe ich.«
Er gab mir sanft lächelnd zu verstehen, dass er mich so nicht davonkommen ließ. »Nein, nicht jetzt, aber bald.«
Ich ließ ihn los und hatte beinahe Angst vor ihm, eine Angst, bei der meine Pistole nutzlos war. »Warum machst du es mir so schwer?«
»Liebe sollte schwer sein, Anita. Was wäre sie sonst wert? Das hast du mir beigebracht in all den Monaten in deinem Bett, wo ich deinen Körper an mir gespürt habe und keinen Orgasmus haben durfte. Das war schwer. Du hast mir gezeigt, wie schwer Liebe sein kann.«
»Das tut mir leid. Mir ist das erst gestern klar geworden.«
Er richtete sich auf und kam ganz nah an meinen Mund. »Du sollst es nicht bereuen, du sollst mich lieben.«
»Nicht jetzt«, sagte ich mit zittriger Stimme.
»Nein«, hauchte er mir gegen die Lippen, »aber bald.« Er küsste mich zart, dann stand er auf und ließ mich meine Strümpfe anziehen.
Ich sah ihm hinterher, wie er zur Tür ging.
»Ich sage Bescheid, dass alles in Ordnung ist.«
Ich nickte nur, weil auf meine Stimme kein Verlass war. Körperlich ließ er mir Raum, emotional überhaupt keinen. Ich horchte in mich hinein, ob sich die Panik ankündigte, aber sie blieb aus. Was kam, war die Erinnerung an ihn in mir und der Gedanke, wie es wohl wäre, ihn in mir kommen zu lassen.
31
I ch war so laut gewesen, und es hatte so lange gedauert, dass ich wünschte, mein Büro hätte eine Hintertür. Aber es hatte keine, und so konnte ich mich nicht einfach davonschleichen, selbst wenn ich es gewollt hätte. Außerdem, wenn Bert je auf den Verdacht käme, es könnte mir peinlich sein, würde er das gegen mich verwenden, würde es in dem ständigen Überbietungskampf zwischen uns beiden als Druckmittel einsetzen. Das einzige Mittel dagegen war Tapferkeit. Seufz.
Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare, und mehr sollte man bei solchen Locken wie meinen auch gar nicht tun. Bürsten macht sie nur kraus. Ich prüfte mein Make-up in dem kleinen Spiegel, den ich neuerdings im Schreibtisch liegen hatte. Das ist das Problem, wenn man sich ein feminineres Erscheinungsbild zulegt: Man muss sich ständig darum kümmern. Benutzt man Lippenstift, muss man immer wieder nachsehen, ob er nicht verschmiert ist. Ich gefiel mir mit Lippenstift, aber es ging mir auf die Nerven, daran denken zu müssen.
Der Lidschatten hatte es ziemlich gut überstanden, aber der Lippenstift war völlig verschmiert. Und wieder war ich froh über den dunklen Teppich. Roter Lippenstift auf hellem Teppich hätte furchtbar ausgesehen. Auf dem dunklen Braun fiel er gar nicht auf.
Der
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