Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
zu sein hieße mit ihm schlafen und ein paar andere Kleinigkeiten. Vor einer Stunde war ich eines Besseren belehrt worden, und die neue Erkenntnis zehrte an mir. Mir war durchaus klar gewesen, dass ich uns behinderte, aber nicht, in welchem Ausmaß. Wo ich dachte, wir hinken vielleicht ein wenig, da hatten uns in Wirklichkeit die Beine gefehlt. Ich hatte auch nicht erwartet und nicht wissen wollen, wie schön es war, sich von Jean-Claude einlullen zu lassen. Es war fantastisch gewesen. Friedlich und zugleich berauschend. Ich wusste gar nicht, was ich verpasste, weil ich immer sehr darauf bedacht gewesen war, es nicht zuzulassen. Und er hatte meine Wünsche respektiert.
Jetzt wusste ich, dass er teuer dafür bezahlt hatte. Er hätte Macht dazugewinnen können, mehr Sicherheit für seine Vampire schaffen können, und ihm war großer Genuss entgangen. Er hatte sich das alles versagt, weil ich mit bestimmten Dingen nicht klarkam. Ich fühlte mich schuldig, aber nachdem ich mich Jean-Claude so weit geöffnet hatte, war ich sofort hingegangen und hatte mit Byron Sex gehabt und mich von Requiem beißen lassen. Zwei Dinge, die ich sonst nicht leichtfertig tat. Ja, es war wichtig gewesen, vielleicht dringend, vielleicht hatte es vielen Frauen im Club das Leben gerettet. Vielleicht hatte es sogar Jean-Claude das Leben gerettet. Ich hatte Primos Macht gespürt und den Drachen flüstern hören. Aber das störte mich nicht mal am meisten.
Nathaniels und Damians Verlangen hatte sich auf Jean-Claude übertragen. Was hatte sich auf mich übertragen? Ich hatte mit Byron und Requiem Sex gehabt und fühlte mich nicht schlecht deswegen. Ich fühlte mich nur schlecht, weil ich mich nicht schlecht fühlte. Es hatte mir gar nichts ausgemacht. Darum war ich drei Autos fast hintendrauf gefahren.
Und am liebsten wäre ich jetzt umgekehrt und zu Jean-Claude gegangen, damit er mich in den Arm nahm, mich küsste und sich von mir nährte. Jetzt, wo ich das Verbotene gekostet hatte, wollte ich alles. Ich wollte es so dringend wie ein Junkie seine Spritze. Das ist keine Liebe, das ist Herrschaft. Ich wollte mich aber nicht auf diese Weise von jemandem beherrschen lassen. Sonst wäre ich nicht mehr ich selbst.
Nichts davon sagte ich zu Graham oder Requiem. Sie standen mir nicht nah genug. Ich sagte nur: »Wer sich besser fühlt als ich, kann hinters Steuer.«
»Ich kann nicht Auto fahren«, sagte Requiem.
»Dann fahre ich«, sagte Graham. »Aber fass mich nicht dabei an.«
»Ich werde der Versuchung widerstehen«, erwiderte ich und gab dabei zu verstehen, dass mir das nicht schwerfallen würde.
Er lachte und stieg aus, um auf meine Seite zu kommen. Währenddessen sagte Requiem: »Du bist heute Abend sehr ernst, Anita.«
»Ich bin immer ernst.«
»Mag sein.« Vielleicht hätte er noch mehr gesagt, wenn nicht Graham in dem Moment die Wagentür geöffnet hätte. Ich ging um den Wagen herum und stieg auf der Beifahrerseite wieder ein. Graham ließ den Motor an. »Wohin?«
»Sunset Cemetery. Das ist nur fünf Minuten von hier.«
»Geht es dir gut genug, um Tote zu wecken?«, fragte Requiem.
»Bringt mich einfach hin und passt auf, dass ich keinen Klienten berühre. Alles andere schaffe ich schon. Passt nur auf, dass ich mit keinem vögle und keinem die Kehle rausreiße.«
»Und wenn du uns befiehlst, dich jemanden vögeln zu lassen?«, fragte Requiem.
»Oder töten zu lassen?«, ergänzte Graham.
»Ich hab’s nicht vor, okay?«
»Vorhin hattest du das auch nicht vor«, gab Requiem leise zu bedenken.
Graham fädelte sich behutsam in den Verkehr auf der Gravois ein, als wollte er meine schlechte Fahrweise wiedergutmachen. »Wie sollen wir uns verhalten, wenn sich noch eine neue Gabe bei dir zeigt?«, fragte er und rollte langsam auf eine rote Ampel zu.
»Haltet mich nur davon ab, jemanden zu verletzen.«
»Und wenn sich die Notwendigkeit ergibt, dass du dich wieder nähren musst, was dann?«, fragte Requiem.
Ich drehte mich zu ihm um, damit ich sein Gesicht sehen konnte. Kurz fiel grelles Scheinwerferlicht auf ihn. Seine Augen leuchteten, dann glitt die Dunkelheit wieder über den Rücksitz, und seine Augen verloschen zu einem dunklen Blau. »Worauf willst du hinaus?«, fragte ich.
»Hast du dich mal gefragt, warum Jean-Claude gerade uns als Leibwächter mitgeschickt hat?«
»Ich habe eine Theorie, aber klär mich doch mal auf.«
»Er wollte zwei Leute, die stark und dominant genug sind und sich notfalls über dich hinwegsetzen
Weitere Kostenlose Bücher