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Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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quälen. Und Angst fällt unter Quälen, wenn man sich in der falschen Situation befindet. Ein Blutopfer zählt sicherlich als falsche Situation, selbst für ein Huhn.
    Ich hatte Requiem überzeugen können, seinen schwarzen Umhang im Jeep zu lassen, denn damit hätte er am Grab wie Gevatter Tod ausgesehen, nur in einer niedlicheren Version. Ohne den Umhang sah er aus, als wollte er durch die Nachtclubs ziehen. Lag es an der Lederhose? Oder an den Stiefeln? Vielleicht lag es an dem smaragdgrünen Seidenhemd, das seine weiße Haut leuchten ließ und den grünen Augen einen Stich ins Türkis gab. Seine Anwesenheit den Anwälten zu erklären war schon schwieriger gewesen. Er sah einfach nicht wie ein Leibwächter aus. Vielmehr sah man ihm sofort an, was er war, und Hermans Nachkommen waren der Ansicht, dass er hier nichts zu suchen hatte. Sie wollten nur einen wandelnden Toten sehen, und das war ihr Herman. Ich sagte daraufhin, der Vampir würde bleiben; sie könnten sich damit abfinden oder es bleiben lassen. Zudem erinnerte ich sie daran, dass ich nicht verpflichtet war, den Vorschuss zurückzuzahlen, wenn sie es sich anders überlegten und Edwin Herman doch nicht erwecken ließen. Ich sei schließlich anwesend und bereit, meinen Teil des Vertrages zu erfüllen.
    Wenn man eine hundert Jahre alte Leiche wecken soll, dann gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage, und ich war ein knappes Gut. Es gab in den Vereinigten Staaten außer mir nur zwei Animatoren, die das konnten. Einen in Kalifornien und einen in New Orleans, aber die waren beide nicht hier. Ich war hier. Außerdem waren die fast so teuer wie ich, und bei ihnen kämen noch die Flug- und Hotelkosten dazu.
    Die Anwälte konnten die Familie überzeugen, den Mund zu halten, obwohl darunter eine ältere Dame war, die das Geld geerbt hatte und drohte zu gehen, wenn der »Dämon« bliebe. Dämon? Wenn sie Requiem für einen Dämon hielt, dann hatte sie noch keinen erlebt. Ich hatte einen erlebt und kannte den Unterschied.
    Jedenfalls beschwichtigten die Anwälte die Familie, und eine Enkelin beschwichtigte die alte Dame, und jetzt warteten sie darauf, dass ich meinen Job erledigte.
    Ich hatte den Korb mit den Hühnern und die Tasche mit der Machete und anderem Handwerkszeug bei mir. Doch zuallererst musste ich meine Abschirmung ein Stückchen senken. Ich hatte gelernt, mich abzuschirmen, wirklich abzuschirmen, um den Drang, meine Gabe anzuwenden, komplett zu unterdrücken und nicht unabsichtlich Tote zu erwecken. Während meiner Collegezeit beging einer der Professoren Selbstmord. Eines Nachts kam er in mein Zimmer. Er wollte seiner Frau sagen, wie leid es ihm tat. Zu der Zeit erweckte ich nichts und niemanden, sondern hatte dichtgemacht, ignorierte meine Gabe. Aber mediale Fähigkeiten machen sich so oder so bemerkbar, wenn die Kräfte groß genug sind, sie finden einen Weg. Und wie sich das dann äußert, gefällt einem meistens nicht.
    Ich senkte also meine Abschirmung, nicht ganz, nur ein kleines Stück. Nur so weit, dass ich diesen Bereich in mir öffnen konnte, der die Toten erweckt. Der war wie eine Faust, die fest geballt blieb und nur wenn ich mich entspannte, öffneten sich die metaphysischen Finger. Ich kannte Leute, die waren bei Animatoren oder Voodoo-Praktikern in die Lehre gegangen, um Tote erwecken zu können. Ich hatte dagegen lernen müssen, wie ich es vermeiden konnte, Tote zu wecken. Trotzdem kostete es mich immer ein bisschen Anstrengung, die Faust geschlossen zu halten, die Macht zu unterdrücken. Sie war ein Teil von mir, der nicht mal im Schlaf entspannt war, sondern nur hier auf dem Friedhof bei den wahren Toten, wenn ich einen von ihnen aus dem Grab rufen sollte. Das waren die einzigen Gelegenheiten, da ich vollständig frei war.
    Eine Minute lang stand ich nur da und ließ meine Macht aus mir herauswehen, kalt und suchend wie einen Wind, der einem über die Haut kriecht, anstatt durch die Haare zu fahren. Es kam mir vor, als hätte ich lange, lange den Atem angehalten und könnte ihn endlich rauslassen und mich entspannen. Wenn ich meine Angst erst mal überwunden hatte, war es schön mit den Toten, friedlich, ungeheuer friedlich, denn was im Grab liegt, kennt keine innere Qual mehr. Totenruhe ist nicht bloß eine Floskel. Leider hatte ich nicht bedacht, dass Tote in der Nähe waren, die nicht unter der Erde lagen.
    Meine Macht berührte Requiem. Sie hätte ihn ignorieren sollen, tat sie aber nicht. Sie umfing ihn kalt wie die Arme eines

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