Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
können, die ihre Urteilskraft gebrauchen und nicht blind gehorchen.«
»Na bravo.«
»Aber das ist noch nicht alles.«
»Spuck’s einfach aus, Requiem. Das Vorspiel ist ermüdend.«
»Das passt zu deinem Ruf«, warf Graham ein.
Ich blickte ihn an. »Was?«
»Man hört, dass du auf Vorspiel keinen großen Wert legst.«
Mein Blick wurde kalt. »Erstens: Niemand der mich kennt, würde dir solchen Mist erzählen, und zweitens solltest du nicht übermütig werden, nur weil du ein bisschen metaphysischen Sex mit mir hattest.«
»Entschuldigung.«
Ich drehte mich wieder nach hinten um. »Und jetzt sag endlich, was du mir sagen willst. Keine Vorrede, keine langen Erklärungen, nur raus damit.«
»Es wird dir nicht gefallen«, sagte er.
»Das tut es jetzt schon nicht. Sag es einfach, Requiem, na los.« Ich bekam Kopfschmerzen. Ob durch den Blutverlust oder vor Anspannung oder wodurch auch immer, jedenfalls begann es hinter dem rechten Auge zu pochen.
»Er dachte, wenn sich die Dinge so entwickeln, wie sie schlechter nicht sein können …«
»Keine Rhetorik bitte. Komm zur Sache.«
Er seufzte, und der Seufzer füllte den Jeep mit Echos. »Falls du die Ardeur befriedigen musst oder falls dein Tier erwacht, wären wir beide die Einzigen, die einen Angriff höchstwahrscheinlich überleben, ohne dass wir dich verletzen müssten.«
»Du hast was ausgelassen«, sagte ich.
»Ich habe genug gesagt.«
»Raus damit, Requiem. Ich will es wissen.«
»Nein, willst du nicht«, sagte Graham. »Das höre ich dir an.«
»Achte du einfach auf den Verkehr«, erwiderte ich und drehte mich zu dem Vampir um. »Den Rest bitte.«
Er seufzte wieder, und es säuselte durch den Wagen wie ein eigenständiges Wesen.
»Und lass die Tricks mit der Stimme, sonst werde ich ernsthaft sauer.«
»Bitte um Vergebung, das kommt bei mir ganz unwillkürlich, wenn ich eine zornige Frau vor mir habe. Dann versuche ich sofort mit allen Mitteln, sie zu besänftigen.«
»Nun rede endlich, Requiem, wir sind gleich am Friedhof. Ich will es wissen, bevor wir aussteigen.«
Er richtete sich kerzengerade auf, sehr förmlich. »Wir sind außerdem die Einzigen, die Gewalt in Verführung umwandeln können.«
»Er muss eine hohe Meinung von euch haben oder keine gute von mir.«
»Letzteres ist nicht wahr, und das weißt du.«
Ich seufzte. »Aber ich fühle mich so.«
Graham sprach es aus. »Du fühlst dich nuttig, weil du Byron flach gelegt hast.«
Ich sah ihn an. »Toll formuliert.«
»Und treffend.« Er klang reichlich sicher.
»Und davon bist du überzeugt?«
»Du benimmst dich jedenfalls so. Außerdem kenne ich deinen Ruf. Wenn jemand Verführung widerstehen kann, dann du.«
»Das höre ich ständig, aber mir scheint, ich kann gar nichts mehr widerstehen.«
»Jahrhundertelang war ich an Belles Hof von lauter Leuten umgeben, die mächtiger waren als ich, Anita. Darum weiß ich mehr als jeder andere, wie sehr du in jeder Nacht aufs Neue kämpfen musst, um nicht von deren Macht verzehrt zu werden.« Er schwieg kurz, dann füllte sein Flüstern den dunklen Wagen. »Wenn du nicht achtgibst, wird ihre Schönheit für dich zum Himmel und zur Hölle. Du wirst jeden Schwur brechen, jede Treue verraten, dein Herz, deinen Verstand, deinen Körper aufgeben und deine unsterbliche Seele verkaufen, um sie auch nur eine Nacht bei dir zu haben. Und dann in einer kalten Nacht hundert Jahre später, wenn das Feuer erloschen ist und nichts als Asche übrig, blickst du auf, und jemand sieht dich an, und du weißt, dass du diesen Blick schon einmal gesehen hast. Hundert Jahre später, und jemand blickt dich an, als wärst du der Himmel. Doch du weißt in deinem Herzen, dass es nicht der Himmel ist, den du bietest, sondern die Hölle.«
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, aber Graham fiel immer etwas ein.
»Jetzt weiß ich, warum du Requiem genannt wirst. Deine Poesie ist verflucht deprimierend.«
Diesmal fand ich seine Beschreibung zutreffend.
40
D er Friedhof war eine gelungene Kombination aus Altem und Neuem. Große Engelstatuen und weinende Marienfiguren neben flachen, modernen Grabsteinen. Hier ließen sich die Reichen und Berühmten beerdigen wie unsere lokalpatriotische Brauerfamilie, die Busches. Auch Edwin Alonzo Herman war zu Lebzeiten ein bedeutender Mann gewesen, und sein Grabmal sprach dafür, dass er sich auch selbst dafür gehalten hatte. Es ragte in die Höhe wie ein geflügelter Riese. Es war nicht stockdunkel, und so sah man,
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