Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
aber ziemlich ähnlich. So ähnlich, dass ich den Rücken durchbog und in die Luft griff, als müsste ich mich an irgendetwas festhalten.
»Nein, nicht anfassen!«, hörte ich Requiem sagen und hatte plötzlich etwas zum Festhalten.
Graham hatte verhindern wollen, dass ich mir die Finger stieß. Wahrscheinlich glaubte er, ich hätte irgendeinen Anfall. Er bekam meine Hand zu fassen. Meine Finger griffen krampfhaft zu, und im Augenblick der Berührung strömte meine Erinnerung und die ganze Erregung in seinen Körper.
Graham erbebte. Ein heftiger Schauder lief durch seinen Arm und warf ihn so hart in seinen Sitz, dass der Jeep schaukelte. Sollte er ruhig alles nehmen, die Erregung, die Gerüche, die Anblicke; ich überließ ihm alles. Das war kein bewusster Gedanke, denn ich hatte nicht mal geahnt, dass ich das in jemand anderen übertragen konnte und dann los war. Es war nicht beabsichtigt gewesen, aber ich war froh darüber. Ich war froh, ausnahmsweise mal der zu sein, der ruhig auf seinem Autositz saß, während Graham sich vor Erregung wand. Endlich mal nicht ich. Und jetzt war auch klar, warum ich vorher die Schockreaktion gehabt hatte.
Ich tötete, ohne viel darüber nachzudenken, nicht kaltblütig, aber wenn der Augenblick da war, hatte ich kein Problem damit. Ich betrauerte aber, dass es mir nichts mehr ausmachte. Damals bei meiner ersten Reise nach Tennessee, als Richard und ich noch ein Paar waren, musste ich jemanden foltern. Richards Mutter und sein Bruder waren entführt worden, und die Entführer hatten ihm einen kleinen Finger seiner Mutter und eine Locke seines Bruders geschickt. Die Zeit, sie zu finden, war knapp, und wir wussten bereits, dass sie misshandelt worden waren. Der Mann, der die Schachtel brachte, erwähnte gehässig, dass sie beide vergewaltigt wurden. Ich folterte ihn, bis er uns verriet, wo sie versteckt waren, und dann schoss ich ihm in den Kopf. Ich tat das damals, um Richards Familie zu retten und weil ich keine andere Möglichkeit sah, das zu erreichen. Ich tat es auch, weil ich nie etwas von anderen verlange, was ich nicht selbst zu tun bereit bin. Das ist einer meiner Grundsätze. Sicher, bis dahin war es auch mein Grundsatz gewesen, nicht zu foltern. Das war eine Grenze gewesen, die ich mir gesetzt hatte, und ich hatte sie übertreten. Das Schreckliche daran war, dass ich nicht bedauerte, es getan zu haben, nur dass es nötig gewesen war. Der Kerl hatte Richards Mutter vergewaltigt. Ich hätte ihn lieber langsamer getötet, aber das brachte ich nicht über mich. Wir befreiten sie schließlich, aber vor der Entführung waren die Zeemans wie die Waltons gewesen, und so waren sie danach nicht mehr. Sie waren nicht völlig verstört, aber auch nicht mehr unbeschadet. Wir töteten die Entführer, aber keine Rache der Welt konnte wieder heil machen, was zerstört worden war.
Wie gibt man jemandem seine Unschuld wieder, dieses wunderbare Gefühl völliger Sicherheit, das nur Menschen haben, denen noch nie etwas Schlimmes zugestoßen ist? Wie kann man das? Ich wünschte, ich wüsste es.
Im Lauf der Jahre habe ich viele Grenzen übertreten, und an diesem Abend auch wieder zwei: nie Sex, um Jean-Claude zu ernähren, und nie Sex mit fremden Männern. Byron und Requiem waren mir praktisch fremd gewesen, ich kannte sie erst seit zwei Wochen. Und ich hatte mit ihnen gevögelt, weil Jean-Claude sich stärken musste.
Requiem war auf dem Rücksitz zu einer Seite gerückt, damit er mein Gesicht sehen konnte. »Du hattest einen Flashback, nicht wahr?«
Ich nickte und starrte den Werwolf auf dem Beifahrersitz an.
»Ist das schon einmal vorgekommen?«
»Ja, nachdem Asher mich in seinen Bann geschlagen hat und wir alle zusammen Sex hatten.« Ich sah Requiem dabei nicht an, sondern sah zu, wie Graham allmählich ruhiger wurde.
»Asher war aber heute Abend nicht beteiligt.«
»Nein, war er nicht.« Ich hörte mich sehr ausgeglichen, sehr neutral, geradezu leer an. Und leer fühlte ich mich auch.
»Wusstest du, dass du die Erinnerung auf jemand anderen übertragen kannst?«
»Nein.«
Grahams Lider flatterten wie Schmetterlinge, die vergeblich versuchen, die Flügel zu öffnen. Er sah aus, als hätte er keine Knochen im Leib oder als würde er auf den Boden gleiten, wenn er nur ein bisschen weicher wäre.
»Du hast sie in ihn strömen lassen und dann zugesehen, wie er sich windet. Was hast du dabei empfunden?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich war nur froh, dass ich nicht an seiner
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