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Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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toten Geliebten. Das hatte ich so noch nicht erlebt. Da zeigte sich deutlicher denn je, dass meine Macht sich auf alle Toten bezog und dass auch die Untoten Tote waren. Mir war häufig erzählt worden, dass Vampire Nekromanten töten aus Angst, von ihnen beherrscht zu werden, doch jetzt wurde mir klar, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Mir war, als ob sich in mir eine Tür zu einem Raum öffnete, von dem ich nichts geahnt hatte. In diesem metaphysischen Raum stand etwas. Es hatte keine Gestalt, die mein Auge erkennen konnte, kein Gewicht, war nichts zum Anfassen oder Festhalten. Aber es war vorhanden und wirklich, und es war mein oder gewissermaßen ich.
    Es platzte hervor. Wäre es ein wirklicher Raum in einem wirklichen Haus gewesen, wäre das Haus unter der Wucht explodiert.
    Aber es passierte in mir drin. Ich bekam die Wucht ab und war für eine Sekunde blind, taub, schwerelos, substanzlos. Da war nichts mehr vorhanden als die rohe Macht.
    Durch Grahams Stimme kam ich zu mir. »Anita, Anita, kannst du mich hören? Anita!« Er hielt mich fest, ich spürte, wir waren auf dem Grab. Ich spürte das Grab und Edwin Alonzo Herman unter mir in der Erde. Ich brauchte nur seinen Namen zu rufen.
    »Da stimmt was nicht, Requiem.«
    »Nein«, sagte er. Ich machte die Augen auf und sah den Vampir über mir aufragen.
    »Sie kommt zu sich«, sagte Graham und wollte mich aufsetzen, doch ich streckte eine Hand nach Requiem aus.
    Der Vampir griff nach mir und ich nach ihm. Graham half mir ebenfalls auf, aber er war für mich gar nicht vorhanden. Ich war auf die Toten konzentriert, und er war zu warm für mich. Das Blut, das ich wollte, war langsam und dick und streckte die Hand nach mir aus.
    Requiems Finger berührten meine, und die Macht in mir kam zur Ruhe. Es war kein Puls in seiner Hand, kein Blutstrom, der die Sinne ablenkte. Er sah mich aus großen Augen an, bewegte die Lippen, atmete aber nicht. Er war still. Er war tot. Er war mein.
    Er zog mich auf die Füße, und wir standen am Fuß des Grabes, Hand in Hand. Ich sah in sein Gesicht, in das türkisfarbene Feuer seiner Augen, aber nicht ich wurde in seinen Blick hineingezogen, sondern er in meinen, und ich wusste, weil ich in seinen Kopf sehen konnte, dass meine Augen schwarze Teiche voller Sterne waren. So hatten sie schon einmal ausgesehen, als Itzpapalotl, die sich für eine aztekische Göttin hielt, mir ihre speziellen Vampirkräfte gezeigt hatte. Sie war so mächtig, dass keiner infrage gestellt hatte, ob sie eine war oder nicht. Für manches lohnt es nicht zu streiten. Was ich von ihr gelernt hatte, hatte ich erst zwei Mal angewendet, und beide Male hatten in meinen Augen Sterne gefunkelt.
    Die Nacht war plötzlich nicht mehr so dunkel. Ich konnte Details, Farben, Dinge erkennen, die ich mit meinen gewöhnlichen Augen nicht wahrgenommen hätte. Requiems Hemd leuchtete grün wie das Feuer seiner Augen. Es war eine Art Hyperfokus, und nicht nur die Sehkraft war geschärft. Seine Hand in meiner fühlte sich schwerer an, deutlicher, als könnte ich die Hautrillen seiner Fingerkuppen spüren. Mit dieser Sinnesschärfe jemanden zu lieben müsste wundervoll sein oder einen wahnsinnig machen.
    Ich erinnerte mich an diese Macht, aber ich konnte sie nicht gebrauchen. Wieder sah ich kurz in Requiems Kopf, sah Angst, die sofort beruhigt wurde, weil ich ihn berührte und nicht wollte, dass er Angst hatte. Die Sterne in meinen Augen versanken in plötzlichem Feuer, in schwarzem Feuer. Einen Moment lang waren sie wie lodernde Vampiraugen, und die richtete ich auf das Grab. Graham sah sie.
    »Oh Gott«, flüsterte er.
    »Geh von dem Grab runter, Graham«, sagte ich und klang beinahe wie ich selbst.
    Er kniete bloß da und starrte mich an.
    »Beweg dich, Graham. Genau dort willst du nicht sein, wenn ich fertig bin.«
    Er stand auf und ging ein paar Schritte, bis ich sagte: »Das genügt.« Er blieb nahe, obwohl er sichtlich Angst hatte, versuchte nicht, sich weiter zu entfernen. Tapferer Junge.
    Ich kniete mich auf den harten Boden und zog Requiem zu mir herunter, wies ihn an, sich hinter mich zu knien und die Hände auf meine Schultern zu legen. Er war wie eine solide Mauer, ein verlässlicher Schutz. Ich hatte gewusst, dass ich Jean-Claudes Kräfte verstärkte, wenn ich in seiner Nähe war, hatte aber noch nie erlebt, was sich jetzt abspielte. Es entstand kein neues Triumvirat mit Requiem, aber er war einer von Jean-Claudes Vampiren und darum auch meiner. Ich konnte ihn zu mir

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