Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Willen. Ich tastete an seinen Armen entlang, fand die Schultern und ließ die Hände auf dieser Breite liegen. Seine Haare kitzelten mich an den Handrücken. Meine Hände auf seinen Schultern, vielleicht auch die seidigen Haare an meiner Haut, bewirkten, dass ich mich ihm entgegenneigte. Ich wollte einen Kuss. Schlicht und einfach. Es schien verkehrt, ihm so nah zu sein und ihn nicht anzufassen.
Er beugte den Kopf zu mir. Seine grünen Augen zogen mich an. Er flüsterte: »Sag stopp, dann höre ich auf.«
Ich sagte nicht stopp. Ich schob die Hände zu seinem glatten, bleichen Hals, und sowie ich die nackte Haut berührte, wurde ich ruhiger. Ich konnte wieder denken. Das war seine Gabe für mich. Mein Diener half mir ruhig zu werden, mich zu beherrschen. Bei Hautkontakt mit ihm war es mir fast unmöglich, die Beherrschung zu verlieren. Er senkte meinen Blutdruck, half mir nachzudenken.
Ich nahm sein Gesicht in beide Hände, weil ich ihn berühren wollte, doch was ich von seiner jahrhundertelang gewachsenen Selbstbeherrschung gewann, war, dass ich nicht verloren war, als er die Lippen auf meinen Mund drückte, dass ich nicht überwältigt wurde, solange ich es nicht wollte. Nicht, dass ich nichts fühlte, denn es war für mich unmöglich, von seinen Armen umfangen, an seine Brust gedrückt zu sein, von seinen Lippen liebkost zu werden und ungerührt zu bleiben. Ich hätte aus Stein sein müssen, um in dieser Umarmung nicht zu schmelzen, wenigstens ein bisschen. Doch während ich meine Ruhe zurückgewann, kehrte in ihn die Leidenschaft zurück, die er über die Jahrhunderte hinweg eingebüßt hatte. Nicht nur die Leidenschaft für Sex, sondern für jede starke Emotion. Denn seine Schöpferin hatte keine geduldet außer Angst. Jede andere hatte sie ihm in der langen Zeit, die nur wenige Vampire überdauern, ausgeprügelt.
Er sah mich an. »Du bist ruhig. Wieso? Ich fühle mich halb verrückt, und du guckst mich so friedlich an!« Er packte meine Oberarme und bohrte die Finger hinein, bis es wehtat, doch an meiner Ruhe änderte das nichts. »Das ist grausam, dass du umso ruhiger wirst, je mehr ich dich anfasse, während ich dabei immer wilder werde.« Er schüttelte mich kurz, sichtlich aufgewühlt. »Ich werde bestraft und habe doch nichts Schlechtes getan.«
»Das ist keine Bestrafung, Damian«, erwiderte ich, und selbst meine Stimme war leise und ruhig.
»Jean-Claude sagt, wenn du wolltest, könntest du die Ruhe herbeiführen, wenn du sie brauchst. Du könntest mich anfassen und es genießen, ohne hinter dieser Maske gefangen zu sein.« Er hielt mich so fest, dass es Blutergüsse hervorrief.
»Du tust mir weh, Damian«, sagte ich ruhig, aber mit einer Spur Ärger im Ton.
»Wenigstens etwas, was du bei meiner Berührung fühlst.«
»Lass meine Arme los, Damian.« Und sofort ließ er sie los, als wären sie plötzlich zu heiß zum Anfassen, denn einer direkten Anweisung von mir konnte er sich nicht widersetzen. Egal, was ich ihm befahl.
»Tritt einen Schritt zurück, Damian, lass mir Platz.« Jetzt war ich ärgerlich, obwohl wir Körperkontakt hatten. Als er die Anweisung befolgte und mich gar nicht mehr berührte, stieg Zorn in mir auf und überflutete mich heiß. Mann, tat das gut. Ich war es gewohnt, zornig zu sein. Es gefiel mir. Macht nicht den besten Eindruck, wenn ich das sage, aber es ist wahr.
Ich rieb mir die Stellen, wo er mich festgehalten hatte, ließ es dann aber. Ich hab es nicht gern, wenn jemand mitkriegt, wie sehr er mir wehgetan hat.
»Ich wollte dir nicht wehtun«, sagte er und hielt sich ebenfalls die Arme. Einen Moment lang dachte ich, er fühle meine Schmerzen, dann begriff ich, dass er sich festhielt, um mich nicht anzufassen.
»Nein, du wolltest mich vögeln.«
»Das ist nicht fair«, sagte er.
Da hatte er recht, es war nicht fair, aber das war mir egal. Ohne Hautkontakt mit ihm konnte ich so unfair sein, wie ich wollte. Ich hüllte mich in meinen Ärger ein. Ich nährte ihn mit jedem kleinlichen Impuls, den ich seit Tagen unterdrückt hatte. Doch wenn man in einer Sache die Beherrschung fahren lässt, wird es umso schwieriger, sie bei anderen aufrechtzuerhalten. Das hätte ich bedenken sollen.
Ich ließ meine Wut von der Leine wie einen tollwütigen Hund. Sie tobte in mir, und ich erinnerte mich an eine Zeit, wo ich mir nichts Wärmendes gestattete außer meiner Wut, wo sie mein Trost und mein Schutz gewesen war. »Geh weg, Damian, geh schlafen.«
»Tu das nicht, bitte, Anita.«
Weitere Kostenlose Bücher