Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
entwickelte den Körper, den er den Rest seines Lebens haben würde, wenn er ihn gut pflegte. Ein Spätentwickler, hätte meine Großmutter gesagt. Jahrelang hatte er jünger ausgesehen, als er war, und seine zierliche Statur hatte zu den Augen und den langen Haaren gepasst. Das hatte ihn für eine gewisse Kundschaft, an die sein früherer Nimir-Raj ihn verkaufte, attraktiv gemacht. Jetzt sah man an Armen, Schultern und Rücken die Muskeln spielen, als er das Tablett auf den Tisch setzte und den eingeschenkten Kaffee austeilte. Ich beobachtete ihn, als er fragte »Wie viel Zucker?« und »Möchtest du Sahne?«. Er bewegte sich anmutig auf nackten Füßen um den Tisch herum und hatte die Haare über eine Schulter geworfen wie ein Cape, damit sie nicht im Weg waren. Ich hätte so viel Haar ohne Hilfe gar nicht handhaben können. Bei Nathaniel wirkte es mühelos.
Ich trank aus meiner Pinguintasse und sah zu, wie er Hausfrau spielte. Ich wartete auf ein Gefühl der Verärgerung, aber das blieb aus. Ich war sogar belustigt, stolz, erfreut. Er war so süß, wenn er das tat.
Richard wurde angespannt, sobald Nathaniel in seine Nähe kam, so als wollte er ihm eigentlich ausweichen, wenn er nur nicht solche Schmerzen gehabt hätte. Er nahm keinen Kaffee, weil er keinen trank. Nathaniel bot ihm an, Tee zu kochen, aber Richard lehnte ab.
Er sah mich an. »Jason tut das nicht für Jean-Claude.«
»Was tut er nicht?«, fragte ich.
»Den Gastgeber spielen.«
»Nathaniel spielt nicht. Und er ist der beste, den wir haben. Für mich ist diese Rolle nichts.«
Richard blickte auf den Boden, als wäre der besonders inspirierend oder als zählte er leise bis zehn. Da ich in den letzten fünf Minuten nichts getan hatte, um ihn sauer zu machen, wusste ich nicht, wo sein Ärger herkam. Er blickte mich mit seinen braunen Augen an, und noch immer vermisste ich seine langen Haare. Die traurigen Reste der Locken begannen sich allmählich zu ringeln, waren aber kein Vergleich zu der Pracht, bevor er sich vor Wut die Haare abgesäbelt hatte. »Er benimmt sich wie deine Frau.«
Nathaniel ging zur Kaffeemaschine, und da ich nach wie vor dort an der Küchenzeile lehnte, kam er dicht neben mich. Er mied meinen Blick, als fürchtete er, wohin das Gespräch führen würde.
»Und aus welchem Grund stört dich das?«
»Du gehst nicht mit ihm ins Bett.«
»Doch, fast jede Nacht.«
»Na schön, wenn du Erbsen zählen willst, das kannst du haben. Du fickst ihn nicht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du bist schon immer grob geworden, wenn du sauer bist.«
»Ich bin nicht sauer, ich will es verstehen.«
»Was verstehen?«, fragte ich.
Micah beobachtete nicht Nathaniel oder Richard, sondern mich. Seine grünen Augen waren sehr ernst, als hätte er Angst, was ich tun könnte. Ich versuchte, ihn mit einem Lächeln zu beruhigen – keine Angst, ich werde es schon nicht eskalieren lassen –, aber beruhigend lächeln ist nicht gerade meine Stärke. Darum wechselte sein Blick von ernst zu besorgt.
»Dich und Nathaniel und Micah.«
Wozu musst du das verstehen?, wollte ich fragen, aber ich versuchte ja, nett zu sein. Oder zumindest netter. »Was gibt es da zu verstehen, Richard?«
Nathaniel strich sich die Haare zu einem hohen, straffen Pferdeschwanz zusammen, wie ihn hauptsächlich Frauen tragen. Es war so einer, der beim Gehen hüpft. Aber Nathaniels Haare waren so lang, dass er sie so hoch zusammenbinden oder flechten musste, damit sie beim Kochen nicht störten. Seit er gemerkt hatte, dass ich den hüpfenden Pferdeschwanz süß fand, machte er ihn häufiger. Er wusch sich die Hände und ging an den Kühlschrank.
»Wie kannst du ihn so angucken, wenn du ihn nicht fickst?«, fragte Richard.
Bis ich den Kopf zu ihm gedreht hatte, war mein Blick unfreundlich geworden. »Wenn du grob werden willst, Richard, meinetwegen. Das kann ich auch, aber es wird dir nicht gefallen.«
»Was meinst du damit?«
»Na schön, dann also auf deine Weise. Warum guckst du Clair nicht so an wie ich Nathaniel, obwohl du sie fickst?«
Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Rede nicht so über Clair.«
»Dann rede du nicht so über Nathaniel.«
Nathaniel schien uns überhaupt nicht wahrzunehmen. Er holte die dicke Marmorplatte aus dem Schrank und legte sie neben das Spülbecken. Sie wurde nur zum Backen benutzt. Er trat an den Kühlschrank und nahm den Teig heraus, den er am Vortag gemacht hatte, bevor wir auf die Hochzeit gegangen waren. Offenbar würde es wie
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