Schwarzer, Alice
begleichen will. Sie ist sachlich, fast freundlich, obwohl ihr
Mann sie keine Sekunde aus den Augen lässt. Finster blickt er, während sie
spricht. Sie erzählt von ihm, abgeklärt, »ohne jeden Belastungseifer«, wie die
Staatsanwältin bemerkt.
Iris X. berichtet von einer Verwandlung. Als Iris ihren
Ihsan traf, im Frühling 1995, da rauchte er, trank gelegentlich Alkohol, er
ging mit ihr zum Tanzen in Diskotheken. Ein Jahr später heirateten sie. Der
Mann aus Tunesien zog mit seiner jungen Frau nach Brandenburg. Kurz darauf kam
er von einem Ausflug nach Belgien völlig verändert zurück, mit einem
Gebetsteppich unter dem Arm. Von einem Tag auf den anderen hielt er nun die Gebetszeiten
ein. Er gab das Rauchen auf, duldete keinerlei Alkohol mehr im Haus. Überall
befestigte Garnaoui nun Koransprüche an den Wänden. Plötzlich durfte seine Frau
nicht mehr in ihr eigenes Wohnzimmer, wenn Freunde ihres Ehemannes da waren.
Sie sollte in der Küche oder im Schlafzimmer sitzen, bis der Besuch gegangen
war. Selbst wenn sie auf die Toilette in der eigenen Wohnung wollte, musste sie
vorher klopfen, damit ihr nicht aus Versehen ein muslimischer Freund ihres
Mannes über den Weg lief. Das alles erzählte sie vor Gericht.
Dort stand ihr Mann, weil ihm die Bundesanwaltschaft vorwarf,
einen Bombenanschlag in Berlin geplant zu haben. Eine konspirative Wohnung und
die Anleitungen zum Bombenbau hatte er sich schon besorgt. Am Ende wurde er zu
drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Oder Daniel Schneider, Fritz Gelowitz und Adern Yilmaz.
Sie wurden im März 2010 zu elf und zwölf Jahren Haft verurteilt. Sie gehören
zur sogenannten Sauerland-Gruppe, die mit Autobomben möglichst viele Menschen
töten wollte. Während des Prozesses, in dem die Angeklagten überraschend
geständig waren, hat man ziemlich genau erfahren, wie die drei Bombenbauer aus
dem Sauerland über die Menschen denken, die sie als Opfer auserkoren hatten.
Auch sie ähneln mit ihrem Feind- und Frauenbild fatal der alten RAF.
Die zwei deutschen Konvertiten und der in Hessen aufgewachsene
Türke wollten im September 2007 Autobomben bauen und damit Ungläubige töten.
Amerikaner vor allem, in Deutschland. Die Polizei hatte ihr Auto verwanzt,
deswegen weiß man, über was sie sprachen. »Amerikanische Schlampen« wollten sie
treffen.
Sie überlegten sogar, ob sie ihre Bomben vor Supermärkten
explodieren lassen sollten - aber da hätte es »anständige« Frauen mit Kindern
treffen können. Sie entschieden sich für Diskotheken, wo die »sündigen« Frauen
sich amüsieren. »Dann zerfetzt es die Schlampen, Inschallah« - so sprachen sie.
Bevor sie loslegen konnten, wurden sie im Herbst 2007 festgenommen.
Der Angeklagte Rafik in Stuttgart-Stammheim hat es übrigens
nach 89 Verhandlungstagen geschafft, selbst seine duldsame Richterin aus der
Fassung zu bringen. Als die Richterin einen seiner Einwürfe nicht zulässt,
schreit er sie an. Sie sei »ein billiges, kleines Flittchen«. Richterin
Rebsam-Bender hat daraufhin kurz die Verhandlung unterbrochen. ■ EMMA
3/2008 (aktualisiert 2010)
CORNELIA FILTER / DIE ROLLE VON
KONVERTITiNNEN
»Liebe Brüder und Schwestern, ich bekomme
jetzt eine großartige Möglichkeit mit meinem Baby. Deshalb will ich euch bitten,
für mich und mein Baby zu beten, dass Allah der Gepriesene uns für das Paradies
akzeptieren wird.« Die alleinerziehende Mutter, die diese Mail am 9. April 2006
in einem islamistischen Internet-Chatroom verschickte, ist eine zum Islam
übergetretene Deutsche: Sonja B., 39, aus Berlin, die, heißt es, nie ohne schwarze
Ganzkörperverhüllung auf die Straße geht. Ermittler vom Berliner Landeskriminalamt
vermuten, berichtet der Spiegel, dass die Konvertitin »in das afghanisch-pakistanische
Grenzgebiet reisen wollte, um sich dort als Märtyrerin im Kampf gegen die Ungläubigen
zu opfern«.
Seit dem 11. September 2001 zittert die westliche Welt vor
islamistischen Terroristen. Fiction- und Dokudramen zeigen uns
Schreckensszenarien, in den arabisch aussehende, dunkle, bärtige Männer
Finsteres planen. Aber was, wenn die Täter keine Männer wären, sondern Frauen?
Nicht schwarzhaarig, sondern blond? Nicht braun-, sondern blauäugig? Was, wenn
sie nicht Arabisch oder Englisch sprächen, sondern Deutsch - wie die Konvertitin
Sonja B. aus Berlin?
Wie auch immer: Der von Politik und Medien gerne funktionalisierte
Terror ist nur die Spitze des Eisberges und verdeckt das eigentliche Problem -
nämlich
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