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Schwarzer, Alice

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Titel: Schwarzer, Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die grosse Verschleierung
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Motive von
Mädchen und Frauen, die sich in Demokratien »freiwillig« unter ein Kopftuch
oder den Ganzkörperschleier begeben, sind nur die eine Ebene und übrigens vielfältig
und wechselnd (so diese Frauen überhaupt die innere und äußere Freiheit haben,
die Meinung zu wechseln). Die zweite Ebene aber, die objektive Bedeutung des Schleiers, ist eindeutig: Kopftuch
und Tschador waren auch in der muslimischen Welt Relikte der ländlichen,
unaufgeklärten Bevölkerung - bis Khomeini in Iran den Gottesstaat ausrief.
Seither ist das Kopftuch die Flagge des politisierten Islam - und der
Ganzkörperschleier sein totaler Sieg.
    Die Mehrheit der IslamwissenschaftlerInnen scheint sich einig
zu sein, dass weder das islamische Kopftuch (das die Haare ganz bedeckt) noch
der Ganzkörperschleier religiös begründet sind. Doch, ehrlich gesagt, finde ich
diese Frage für unsere Debatte eigentlich unerheblich. Denn es kann doch nicht
sein, dass wir Texte, die aus religiösen oder machtpolitischen Interessen vor
Jahrhunderten bzw. Jahrtausenden geschrieben wurden, im Rechtsstaat als
Realität anerkennen - selbst wenn sie gegen die elementarsten Menschenrechte
verstoßen.
    Mit den kopftuchtragenden Musliminnen in unseren Ländern
haben wir selbstverständlich zu reden und ihnen nicht mit Verboten zu
begegnen. In Kindergärten, Schulen und im öffentlichen Dienst allerdings hat
dieses Kopftuch - das kein religiöses, sondern ein politisches Zeichen ist -
nichts zu suchen. Hinzu kommt, dass es eine gewaltige Erleichterung für viele
muslimische Mädchen aus orthodoxen oder fundamentalistischen Familien wäre,
wenn das Kopftuch sie wenigstens in der Schule nicht als die »Anderen«
stigmatisieren, in ihrer Bewegungsfreiheit behindern und sie von den Jungen wie
Wesen von unterschiedlichen Sternen trennen würde. Wir würden den Mädchen mit
dem Freiraum Schule überhaupt erst die Chance zu einer eines Tages wirklich
freien Wahl geben.
    Der Ganzkörperschleier aber hat in einer Demokratie nichts
zu suchen. Er raubt den weiblichen Menschen jegliche Individualität und
behindert sie aufs schwerste in ihrer Bewegungsfreiheit. Burka und Niquab sind
zutiefst menschenverachtend. Nicht nur für die in ihren Stoffgefängnissen
eingeschlossenen Frauen - auch für die Männer, denen ja unterstellt wird, sie
würden sich auf jede Frau, von der sie auch nur ein Haar oder ein Stück Haut
erblicken, wie ein Tier stürzen.
    In Deutschland wurde in den vergangenen Monaten über die
französische Burka-Debatte in fast allen Medien herablassend spöttisch berichtet.
Stil: Haben die Franzosen eigentlich keine anderen Probleme? Wir jedenfalls
haben diese Probleme nicht! Angeblich gibt es bei uns keine Burka bzw. Niquab
tragenden Frauen. Mit Verlaub, da staune ich. Ich sehe seit geraumer Zeit bei
jedem Gang durch die Kölner Innenstadt mindestens zwei, drei vollverschleierte
Frauen (selbst bei 35 Grad Hitze, wie in diesen Tagen), meist in Begleitung
lässiger Männer in Jeans. Wie lange wollen wir eigentlich über einen solchen
Sklavinnen-Auftritt noch wegsehen?
    Als Frankreich im Herbst 2008 das Kopftuchverbot in der
Schule für Lehrerinnen und Schülerinnen
verabschiedete, drohte der Al-Quaida-Führer Abou Moussab Abdoul Wadoud ganz
offen: »Wir werden uns im Namen der Ehre unserer Töchter und Schwestern an
Frankreich rächen. Heute ist es der Tschador, morgen ist es der Niquab.« (Also
die zusätzliche Verschleierung des Gesichts.) Wadoud und seine Gotteskrieger
scheinen ernst machen zu wollen.
    Doch Präsident Sarkozy ließ sich nicht einschüchtern. Als
Sohn eines emigrierten Ungarn und einer griechischen Jüdin - aufgewachsen bei
den jüdischen, einst vor den Nazis geflüchteten Großeltern - hat er selber
einen »Migrationshintergrund« und ein sehr pragmatisches, unsentimentales
Verhältnis zur Integration. »Wir sind eine alte Nation, die sich einig ist in
Bezug auf eine gewisse Vorstellung von der Würde des Menschen, insbesondere der
Würde der Frau«, erklärte Sarkozy stolz. »Der Vollschleier, der das Gesicht
verbirgt, verletzt unsere fundamentalen republikanischen Werte.«
    Auch Sarkozys muslimische Kabinettsmitglieder erklärten,
die Burka sei »ein sichtbarer Ausdruck der Fundamentalisten in unserem Land«
(Staatssekretärin Fadela Amara, Franco-Algerierin) bzw. »menschenverachtend und
der reine Hohn« (Staatssekretärin Rama Yade, Franco-Senegalesin).
    Ganz anders tönen europäische, linke Menschenrechtsorganisationen.
So warnte Human

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