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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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das mit den weiten Ärmeln wie das Kostüm eines Künstlers oder Dichters wirkte.
    Er drehte sich ein wenig herum, als ob ihm meine Gegenwart erst durch meine ziemlich lange Musterung bewußt geworden wäre. Jetzt konnte ich sein Profil betrachten, und ich hielt den Atem an – und das nicht nur wegen seines tollen Aussehens!
    Auch Pa sah auf seine kräftige, animalische und brutale Art gut aus, auch Logan war in seiner eigenwilligen Art ein klassischer Typ. Aber dieser Mann hatte etwas ganz anderes an sich, etwas Besonderes, wie ich es bisher noch nie gesehen hatte. Plötzlich tauchte Logans Bild vor meinen Augen auf, und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Aber Logan hatte mich doch im Stich gelassen, er hatte mich auf dem Friedhof mitten im Regen allein stehenlassen. Logan hatte nicht mehr verstehen wollen, daß ein fünfzehn oder sechzehnjähriges Mädchen einen Mann, der sich um sie gekümmert hatte, manchmal nicht bändigen kann, außer indem es nachgab. Und das alles nur, damit er ihr Freund bliebe. Aber die Geschichte mit Logan war vorbei, und soweit ich sah, würde ich ihn nie mehr treffen. Versonnen starrte ich weiter auf diesen Mann, denn die unerwartete Art mit der mein Körper auf seinen bloßen Anblick reagierte, verblüffte mich. Ohne mich auch nur anzusehen, wirkte er hautnah auf mich, als ob er mich dringend brauchen würde, als ob er mir suggerieren wollte, auch bei mir wäre es so! Das Gefühl, das von ihm ausging, warnte mich aber auch, langsam vorzugehen und vorsichtig zu sein, auf Distanz zu bleiben. In dieser Phase meines Lebens brauchte und wollte ich keine Liebesaffäre. Von Männern, die mich zu Sex zwangen, obwohl ich noch gar nicht dazu bereit war, hatte ich die Nase voll. Und trotzdem stand ich hier zitternd und fragte mich verwundert, wie ich denn reagieren würde, wenn er sich erst ganz herumdrehen würde. Hatte mich doch schon sein Profil so sehr erregt. Zynisch redete ich mir ein, er hätte irgendeinen Fehler, wenn ich ihn ganz betrachten könnte. Und das wäre dann auch der Grund, warum er peinlichst bemüht war, sein Gesicht ihm Schatten zu verbergen. Immer noch saß er still da, halb zur Seite gedreht. Aber auch so ging von ihm eine Empfindsamkeit aus, wie vom Idealbild eines romantischen Dichters – oder war es eher der Eindruck einer wilden Antilope, die regungslos verharrt und lauscht, hellwach und jederzeit bereit zu fliehen, wenn ich mich zu plötzlich oder zu aggressiv bewegen würde?
    Ich kam zu der Überzeugung, daß es genau das war: Er hatte Angst vor mir! Er wollte mich nicht hier haben. Jemand wie Tony wäre nie sitzengeblieben. Tony wäre lächelnd aufgestanden und hätte die Situation in die Hand genommen.
    Dies aber mußte ein Dienstbote, ein Gärtner oder irgendein Gehilfe sein. Aufgrund seiner Haltung und der Art wie er den Kopf ein wenig zur Seite drehte, wußte ich, daß er wartete, daß er mich vielleicht auch aus den Augenwinkeln beobachtete.
    Eine seiner dunklen, kräftigen Augenbrauen hatte er fragend hochgezogen, aber sich noch immer keinen Millimeter bewegt.
    Nun gut, sollte er da ruhig sitzen und sich wundern, denn das gab mir eine ausgezeichnete Gelegenheit, ihn zu studieren.
    Wieder drehte er sich ein kleines Stück – sein Hammer war noch immer zum nächsten Schlag bereit –, und jetzt sah ich endlich mehr von seinem Gesicht. Seine Nasenflügel blähten sich, und ich bemerkte, daß sein Atem genauso kurz und rasch ging wie meiner. Warum sagte er nichts, was war nicht in Ordnung mit ihm? War er blind, taub oder sonst etwas?
    Seine Lippen bewegten sich zu einem Lächeln nach oben, während er den zierlichen Hammer nach unten führte und vorsichtig auf ein dünnes, silbrig glänzendes Metallplättchen einschlug – als ob er von der glänzenden Oberfläche kleine Dellen entfernen wollte. Tap-tap-tap tönte der kleine Hammer.
    Ich begann zu zittern und fühlte mich von seiner Absicht, mich nicht einmal zu begrüßen, bedroht. Wer war er, daß er mich einfach ignorieren durfte? Was hätte Jillian an meiner Stelle getan? Ganz sicher würde sie es nicht dulden, daß dieser Mann ihr Angst machte! Aber ich war ja nur eine von den Hinterwäldlerinnen der Casteels, und bis jetzt hatte ich es noch nicht gelernt, arrogant zu sein. Ich schaffte es, gekünstelt heiser zu husten, aber nicht einmal dann hatte er es eilig, sich umzudrehen und mir das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Während ich so dastand, überlegte ich, daß er der Mann mit dem

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