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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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auftauchen, nie, und auch keine deiner früheren Freunde aus West Virginia.«
    Das war zuviel verlangt! Ich hatte geplant, ihm später einmal die ganze Wahrheit zu sagen. Ich wollte ihm erzählen, daß Pa in diesem schrecklichen Herbst, in dem Sarah ein totes, mißgebildetes Baby geboren hatte, an Syphilis erkrankt war.
    Daß Granny gestorben war und Sarah fortging und ihre vier Kinder und mich in der Berghütte zurückließ. Daß wir uns dann so gut es ging durchschlugen. Und dann dieser grauenvolle Winter, in dem er uns verkaufte, alle fünf, für fünfhundert Dollar das Stück! Verkauft an Leute, die uns mißbrauchten! Und nie sollte ich je Tom hierher zu Besuch einladen, oder Fanny, geschweige denn Keith und Unsere-Jane? – Wenn ich die beiden gefunden hätte…
    »Jawohl, Heaven Leigh, ich wünsche, daß du deine familiären Verbindungen kappst, die Casteels vergißt und eine Tatterton wirst, wie deine Mutter es hätte tun sollen. Sie hat uns verlassen, hat nur einmal geschrieben, ein einziges Mal!
    Hat irgend jemand dort unten je erwähnt, warum sie nicht nach Hause schrieb?«
    Meine Nerven vibrierten. Er wußte mehr als Granny oder Großvater, sogar mehr als Pa! »Wie sollten sie es wissen, außer sie hat es ihnen erzählt?« fragte ich mit ziemlichen Groll. »Soweit ich hörte, hat sie nie über ihr Zuhause gesprochen, außer, daß sie aus Boston komme und nie zurückgehen würde. Meine Granny vermutete, sie sei reich, weil sie so hübsche Kleider und eine kleine samtene Schmuckschatulle mitgebracht hatte und weil ihr Benehmen so vornehm war.« Aber aus irgendeinem Grund verlor ich kein Wort über die Brautpuppe mit ihrem Porträt, die sie auf dem Grund ihres einzigen Koffers versteckt hielt.
    »Erzählte sie deinem Vater, daß sie nie zurückkehren würde?« fragte er mit dieser merkwürdig gepreßten Stimme, die bewies, daß er innerlich berührt war. »Wem hat sie noch davon erzählt?« – »Keine Ahnung. Granny wünschte, sie würde dahin zurückgehen, woher sie kam, bevor die Berge sie töten würden.«
    »Die Berge haben sie getötet?« fragte er, beugte sich vorwärts und fixierte mich. »Ich hatte angenommen, daß sie mangelnde ärztliche Hilfe das Leben kostete.«
    Meine Stimme nahm einen Tonfall an, der mich an Granny erinnerte, wurde so geisterhaft, wie sie mir zu erzählen pflegte.
    »Die Leute sagen, keiner könne glücklich in den Bergen leben, außer er sei dort geboren und aufgewachsen. Es gibt Töne in den Bergen, die niemand erklären kann, wie Wölfe, die den Mond anheulen. Dabei sagen die Wissenschaftler, daß der graue Wolf schon vor langer Zeit aus unserer Gegend verschwunden ist. Trotzdem können wir alle ihn hören. Wir haben Bären, Luchse und Berglöwen, und unsere Jäger kommen mit Geschichten zurück, daß sie Beweise für die Existenz grauer Wölfe in unseren Bergen gesehen hätten. Es ist egal, ob wir die Wölfe sehen oder nicht, wenn der Wind ihr Heulen mitbringt, um uns nachts aufzuwecken. Wir haben jede Art von Aberglauben, den ich nicht zu beachten versuchte.
    Alberne Dinge, wie z. B. daß man sich dreimal im Kreis drehen muß, wenn man sein Haus betritt, damit die bösen Geister einem nicht hineinfolgen. Immer noch werden Freunde, die in unseren Bergen leben wollen, schnell krank und manchmal erholen sie sich nie. Manchmal fehlt ihnen nichts, und trotzdem werden sie immer stiller, verlieren den Appetit, magern ab und dann kommt der Tod.«
    Er preßte seinen Lippen so stark zusammen, daß sich ringsum eine weiße Linie bildete. »Die Berge? Liegt denn Winnerow in den Bergen?«
    »Nein, Winnerow liegt im Tal. Die Leute in den Bergen sagen ›Loch‹ dazu. Mein ganzes Leben versuchte ich, nicht so wie sie zu sprechen. Aber das Tal ist nichts anderes als die Berggegend. Die Zeit steht still dort, auf den Bergen, in den Tälern; aber nicht so wie für Jillian. Die Leute altern rasch, zu rasch. Meine Granny besaß ja auch nie eine Puderquaste, geschweige denn Nagellack.«
    »Genug davon«, sagte er ziemlich ungeduldig. »Ich habe genug gehört. Warum um alles in der Welt möchte ein kluges Mädchen wie du dorthin zurückgehen?«
    »Ich habe meine Gründe«, entgegnete ich störrisch und hob den Kopf, weil ich Tränen in meine Augen steigen fühlte. Ich konnte ihm nicht erzählen, warum ich den Namen Casteel aufwerten und ihm etwas geben wollte, das er nie vorher besessen hatte – Ansehen. Für meine Granny würde ich es tun, für sie. So stand ich da und er saß. Für eine ewig

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