Schwarzer Engel
Unter diesen Umständen wird dich Miles am Montag zur Schule fahren und dich nächsten Freitag abholen. Jillian und ich beabsichtigen, am Sonntag in einer Woche zurückzukehren.«
Seine Neuigkeit schleuderte mich in einen Strudel!
Ich wollte nicht in einem Haus voll Diener, die ich kaum kannte, allein gelassen werden. Die Tränen, die mir plötzlich in die Augen stiegen, versuchte ich vor Tony zu verbergen. Was war bloß falsch mit mir, daß mich Leute so mir nichts dir nichts verließen?
»Jill und ich werden die Vernachlässigung dieser Woche wiedergutmachen, indem wir kommendes Thanksgiving und Weihnachten verlängern«, meinte er mit einem seltenen Anflug von liebenswürdigem Charme. »Ich gebe dir mein Ehrenwort, daß wir nach meiner Rückkehr in ein Popkonzert gehen werden.«
»Meinetwegen mußt du dir keine Sorgen machen«, erwiderte ich bestimmt, denn ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, ich sei eine Last wie Jillian.
»Ich kann mich selbst unterhalten.« Aber in Wirklichkeit war’s anders. Der einzige Diener, der mich nicht nervös machte, war Rye Whiskey. Aber vielleicht würde auch er kalt und abweisend werden, wenn ich ihn in seiner Küche zu oft besuchte. Was würde ich bloß mit mir anfangen, nachdem ich am Freitag nachmittag nach Hause gekommen war und meine Hausaufgaben gemacht hatte?
Dann kam der Samstag morgen auf Farthinggale Manor mit Dienern, die aufgeregt herumräumten und versuchten, Jillian beim Packen für eine einwöchige Reise zu helfen. Im oberen Flur lief sie lachend auf mich zu, umarmte und küßte mich, und erweckte den Eindruck, daß ich mich vielleicht doch geirrt hatte, daß sie mich doch lieben und brauchen würde. Während wir die Stufen zum Wohnzimmer hinaufgingen, klatschte sie wie ein glückliches kleines Mädchen in die Hände. »Schade, daß du nicht mit uns kommen kannst, aber du warst ja diejenige, die um ein paar Monate Schulbesuch gebettelt und so meine ganzen Pläne für dich durchkreuzt hat.«
Beide, Tony und Jillian, ließen mich links liegen. Darüber war ich tief in meinem Innersten so verletzt, daß ich selbst etwas Verletzendes machen wollte. Und so tat ich etwas, das schlecht geplant und unklug war. Ich beschloß, Logan zu besuchen. »Außerdem«, fuhr ich fort, »beabsichtige ich diesen Nachmittag nach Boston zu gehen.«
»Was meinst du mit eigenen Plänen für diesen Nachmittag?«
fragte Jillian. »Also wirklich, Heaven, ist denn Samstag nicht unser Tag, an dem wir etwas gemeinsam unternehmen können?« (Das war mir nie zuvor klargemacht worden, während ich bei viel älteren Leuten herumstand, die immer über Themen sprachen, von denen ich keine Ahnung hatte. Ich hatte mich so unpassend wie eine Lampe am hellichten Tag gefühlt.) »Ich dachte, wir könnten heute abend eine Abschieds-Party veranstalten, in dem reizenden kleinen Theater gleich neben dem Schwimmbad, das wir gerade haben restaurieren lassen. Wir könnten einen alten Film anschauen. Die neuen kann ich nicht ausstehen, sie bringen mich in Verlegenheit, wenn sie Menschen nackt bei Liebesspielen zeigen. Wir könnten auch ein paar Freunde dazu bitten, um es netter zu gestalten.«
Jillian hätte besser nicht erwähnt, daß sie Freunde einladen wollte. Freunde würden das Besondere an unserem letzten gemeinsamen Abend für eine Woche zerstören. »Tut mir leid, Jillian, aber ich war sicher, du wolltest diesen Abend früh zu Bett, um bei deiner Ankunft in Kalifornien gut erholt zu sein.
Mir passiert nichts, und wenn ich früh nach Hause komme, werden deine Gäste noch da sein.«
»Wohin gehst du?« fragte Tony scharf. Er hatte die Morgenzeitungen durchgeblättert und blickte jetzt sehr argwöhnisch über den Zeitungsrand. »Außer uns und den paar älteren Bekannten, denen wir dich vorstellten, kennst du noch niemanden in Boston, oder haben dich die Mädchen in Winterhaven plötzlich ins Herz geschlossen? Das scheint mir doch recht unwahrscheinlich.« Er zog eine Augenbraue hoch.
»Oder planst du vielleicht, irgendeinen Jungen zu treffen?«
Mein Stolz brach durch, wie immer, wenn ich verletzt wurde.
Natürlich hatte ich mich in Winterhaven schon mit vielen angefreundet – oder es würde wenigstens über kurz oder lang so sein. Zuerst schluckte ich: »Ein Mädchen aus der Schule hat mich zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen, sie findet in der
›Roten Feder‹ statt.«
»Von welchem Mädchen stammt die Einladung?«
»Faith Morgantile.«
»Ich kenne ihren Vater, er ist ein Lump, obwohl
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