Schwarzer Engel
Augen auf meine »Hinterwäldler«-Verwandtschaft starrten.
»Bitte, bedanke dich nicht nochmals«, sagte Troy, als er uns zwei spät nachts nach Hause fuhr, nachdem der Tanz vorbei war und mich alle Mädchen um meinen gutaussehenden
»älteren Herrn« beneidet hatten. Man hatte ihn sehr bewundert und hielt ihn für einen echten Fang. »Dachtest du wirklich, ich würde nicht kommen?« fragte er mich. »Es war wenig genug, was ich tun konnte.« Er kicherte, ehe er fortfuhr. »Ich habe nie ein Mädchen gekannt, das eine Familie mehr braucht als du, also wollte ich dir eine riesige Sippschaft verschaffen. Und außerdem sind sie doch auch irgendwie alle eine Familie, oder? Einige sind über der Arbeit für die Tattertons alt geworden. Sie freuten sich riesig, zu kommen, hast du’s nicht gemerkt?«
Ja, sie hatten sich wirklich gefreut, mich kennenzulernen.
Plötzlich saß ich scheu und stumm da, aber überglücklich und trotzdem verwirrt über meine Gefühle. Ich mußte mir selbst eingestehen, daß ich dabei war, mich in Troy zu verlieben.
War es denn richtig, daß mir das Tanzen mit Troy zehnmal so viel Spaß gemacht hatte als damals, als Logan mir das Tanzen beigebracht hatte? Verstohlen musterte ich sein Profil und fragte mich, was er wohl gerade dachte.
»Nebenbei«, meinte er noch immer munter und auf den Verkehr konzentriert, »das Detektivbüro, das meine Anwälte verpflichteten, um deinen jüngeren Bruder und deine Schwester zu finden, meint einen Anhaltspunkt zu haben. Sie haben nach einem Anwalt in Washington mit Vornamen Lester gesucht. Es gibt wenigstens zehn Lesters und vierzig, die mit L
anfangen in diesem Raum, dazu zwanzig oder mehr in Baltimore. Sie prüfen auch die R’s, die seine Frau verwendet hatte… vielleicht dauert’s also nicht mehr allzu lange, bis wir deinen Bruder und deine Schwester aufspüren können.«
Ich atmete schneller – ach, »Unsere« Jane wieder im Arm zu halten, Keith herzen und küssen zu können! Sie wiederzusehen, ehe sie ihre Schwester »Hevlee« ganz vergessen hatten. Aber waren sie wirklich der wahre Grund, warum mein ganzer Körper erschauerte? Mir selbst zum Trotz rückte ich näher an Troy heran, so daß sich meine Hüfte an seine preßte und seine Schultern meine streiften. Er schien zu erstarren, ehe er verstummte, und dann bogen wir schon von der Schnellstraße auf die Straße ab, die ich beim ersten Mal mit Jillian und Tony gefahren war. Sie glich einem silbernen Band, das sich auf die hohen, schwarzen Eisentore zuschlängelte. Jetzt waren sie mein Zuhause, diese Straße und das riesige Haus, das dem Blick entzogen wurde, bis man beinahe unmittelbar davorstand.
Ich hörte das Tosen des Meeres, das Geräusch der Brandung, roch den Salzgeschmack, und mit jeder Minute wurde diese Nacht reicher und erfüllter.
»Ach, laß uns jetzt nicht gute Nacht sagen, nur weil’s nach ein Uhr ist«, meinte ich und hielt Troy an der Hand, als wir ausgestiegen waren. »Laß uns im Garten Spazierengehen und reden.«
Vielleicht hatte diese laue, samtene Nacht für ihn denselben Charme, denn zustimmend schob er meine Hand unter seinem Ellbogen durch. Die Sterne schienen zum Greifen nahe, betäubender Duft füllte meine Nase und machte mich schwindelig. »Was ist das, was so süß riecht?«
»Der Flieder, es ist Sommer, Heavenly, oder wenigstens fast.«
Wieder hatte er mich Heavenly genannt, so wie einst Tom.
»Wußtest du, daß die Mädchen heute nach dem Mittagessen freundlicher als je zuvor zu mir waren? Klar wollten sie, daß ich sie dir vorstellte… aber dazu hatte ich keine Lust.
Trotzdem würde ich gerne wissen, wie du es geschafft hast, mit dem anderen Geschlecht so wenig in Kontakt zu kommen.«
Er kicherte und senkte verlegen den Kopf. »Ich bin nicht schwul, wenn’s das ist, was du meinst.«
Vor Empörung wurde ich rot. »Daran habe ich nie gedacht!
Aber die meisten Männer in deinem Alter verabreden sich so oft wie möglich, wenn sie nicht schon vergeben sind.«
Wieder lachte er. »Erst in ein paar Monaten werde ich vierundzwanzig«, bemerkte er leichthin, »und Tony gab mir immer den Rat, mich nicht vor Dreißig fest zu binden.
Außerdem, Heavenly, hatte ich schon ein paar Erfahrungen mit Mädchen, die mir mit Heiratsabsichten nachliefen.«
»Was hast du gegen die Ehe?«
»Nichts, sie ist eine alte und ehrwürdige Institution, gedacht für andere Männer, nicht für mich.« Und die kühle, abstrakte Art, wie er das sagte, trieb meine Hand aus seinem
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