Schwarzer Koks (German Edition)
der Kronleuchter glich dem in der Lounge. Gerahmte Gemälde mit englischen Landschaften schmückten die Wände. Auf dem Schreibtisch häufte sich ein Stapel Papiere. Es handelte sich um die Protokolle von Meetings britischer Botschaftsangehöriger mit kolumbianischen Offiziellen, in der Hauptsache Verwaltungskram: rechtswirksame Vereinbarungen, Absprachen über Verfahrensweisen.
Eine nach der anderen riss er die Schubladen am Schreibtisch auf: Büroklammern, Heftmaschinen, Schreibkram, Papier. Er sah sich genauer um. Die Glasvitrine enthielt mehrere Reihen Bücher zu verschiedenen Themen: kolumbianisches Recht, kolumbianische Drogenpolitik, sogar eine Art Knigge der kolumbianischen Kultur.
Wo waren die Beweise, die es Manuels Überzeugung nach hier geben sollte?
Er hörte die Haustür knarren. Der Schotte und Rupes hatten sich in der Wolle. Nathan verließ das Büro und trat in das Schlafzimmer. Die Stimmen kamen die Treppe herauf.
»Krieg dich wieder ein«, sagte der Schotte. »Ist mir scheißegal, wozu Amonite das Zeug braucht.«
»Ha! Das wirst du dir schnell anders überlegen, wenn du erst mal in deiner gemütlichen Zelle in Pentonville sitzt.«
»Ich hab doch nichts gemacht.«
»Du hast die E-Mail gelesen, oder?«, fragte Rupes, als sie oben angelangt waren. Er war ins Schnaufen geraten. »Wir gehen zur nächsten Phase über.«
»Wir befolgen nur Befehle.«
»Glaubst du, der Außenminister kauft dir diesen Krampf ab, wenn er dahinterkommt? Und was ist mit dem ganzen Mist im Keller?«
Der Schotte stöhnte und ging ins Büro.
»Du hast doch nicht etwa vergessen, wer El Patrón ist, oder?«, rief Rupes. Er folgte dem Schotten in das Büro und schloss die Tür hinter sich.
Nathan schlich die Treppe hinab. Es gab noch eine Tür am Ende des Flurs. Er öffnete sie sachte. Eine Treppe führte in den Keller. Er knipste das Licht an und ging hinab. Im Keller stapelten sich Holzkisten bis unter die Decke. Er fand kaum Platz, sich zwischen den Stapeln durchzuzwängen. Auf einem Tisch in der Ecke fand er einen Schraubendreher mit flachem Blatt. Er stemmte die Seite einer der Kisten auf und spähte hinein.
Sie war voller Gewehre vom Typ SA80, dem Sturmgewehr der britischen Infanterie, nebst 30-Schuss-Magazinen. Es handelte sich um das verbesserte Modell L85A2. Nathan kannte sich damit aus.
Benutzten Sir George und Amonite Schutzhäuser der britischen Botschaft zur Zwischenlagerung von Waffenlieferungen für die Front?
Nathan legte den Schraubendreher wieder auf den Tisch und schlich die Treppe hinauf. Er warf einen Blick in die Lounge. Einer der Männer hatte seine Tasche neben dem Monitor auf dem Schreibtisch liegen gelassen. Nathan warf einen Blick hinein: ein Roman, ein Schokoriegel, eine Dose Coke, einige Dokumente, ein USB-Stick, ein Taschenkalender. Nathan steckte den USB-Stick ein und ging den Kalender durch. Er war voller Notizen. Auf der letzten Seite fand er eine Liste von Wörtern und Buchstaben, die ihm nach Usernamen und Passwörtern aussahen.
Nathan tippte auf die Leertaste des Keyboards. Der Monitor erwachte zum Leben und fragte nach Benutzernamen und Passwort. Er tippte das erste Paar ein.
Es piepste.
Error: Falsches Passwort.
Nathan hielt den Atem an. Die Männer oben waren immer noch in ihre Debatte vertieft. Er tippte das nächste Wortpaar ein. Wieder das Piepsen. Er arbeitete sich durch die ganze Liste, bis er die letzte Zeile erreicht hatte. Er tippte sie ein und drückte »Enter«. Die Dialogbox verschwand. Der Desktop des Computers lud sich.
Bingo.
Er durchsuchte die Verzeichnisse auf der Festplatte. Es handelte sich wieder größtenteils um Verwaltungskram: Budgets, Positionspapiere, Sitzungsprotokolle, strategische Dokumente, Ermittlungsberichte. Nathan öffnete das E-Mail-Programm. Der Bildschirm fror ein. Sekunden vergingen, streckten sich zu Minuten. Die Stimmen oben waren verstummt. Mit rasendem Puls stand Nathan auf. Endlich begann die Mailbox mit dem Download der Nachrichten. Oben hob die Debatte wieder an. Nathan überflog die Betreffzeilen. Es war größtenteils der übliche Spam, Sexsites, Viagra, falsche Rolex-Uhren, dazwischen Mails wegen bevorstehender Meetings und Konferenzen. Eine Zeile jedoch fiel ihm auf. Er öffnete die Mail.
Von: Büro des britischen Botschafters
An: alle Angestellten
Betreff: Präsident bei Gala
Der kolumbianische Präsident spricht dieses Wochenende voraussichtlich auf einer großen Gala. Sir George vertritt die Regierung ihrer Majestät.
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