Schwarzer Koks (German Edition)
schließlich zäh. Manuel wies nach vorne.
Drei Leichen hingen von der Brücke. Sie waren nackt; man hatte ihnen die Hände auf den Rücken gebunden; Blutspuren zogen sich von durchschnittenen Kehlen bis hinab zu den Zehen. Ihren Oberkörpern hatte man »Front 154« eingeritzt. Unter ihnen standen Polizei und Sanitäter und blickten hinauf zu einem Beamten, der die Knoten an den Stricken zu öffnen versuchte.
Ein anderer Polizist winkte sie weiter. Nathan hatte Dutzende, wenn nicht Hunderte von Toten gesehen. Aber dieses Bild schien ihm besonders schaurig, eine brutale Zurschaustellung von Vergeltung, die des Mittelalters würdig war.
»Mein Gott«, sagte Nathan im Vorbeifahren. »Das sind die Leute aus dem Schutzhaus der Botschaft.«
»Welche Leute?«
»Na, die drei Agenten, bei denen ich eingebrochen bin.« Nathan schüttelte angewidert den Kopf.
Manuel zog die Achseln hoch, als überraschte ihn so etwas kaum.
Eine Stunde später fuhren sie durch eine weitere Shanty-Town. Kinder spielten in den Pfützen, die der letzte Regenguss hinterlassen hatte. Frauen verkauften Obst und Gemüse am Straßenrand. Männer tranken in behelfsmäßigen Bars.
Vor einer großen Hütte kam der Pickup zum Stehen. Sie sprangen hinaus und traten in einen Raum voller Leute, hauptsächlich Männer, aber auch einige Frauen. Schweigen legte sich über die Versammelten, als Manuel hereinkam, ein Beleg für seinen Status bei den Campesinos. Manuel sprach einige Minuten auf Spanisch zu ihnen, dann wies er auf Nathan.
»Das hier ist Nathan Kershner«, sagte er. »Ein guter Freund von mir. Er hat mir das Leben gerettet.«
Man applaudierte.
Manuel legte eine Atempause ein, dann fuhr er fort. »Er hat eine Ausbildung als Soldat. Er wird uns gegen die Front 154 beistehen. Wir sollten auf ihn hören.«
Aller Augen richteten sich auf Nathan. Einen Moment lang fühlte er sich in die katastrophale Präsentation vor dem SOCA-Vorstand zurückversetzt. Seine Atmung beschleunigte sich und seine Hände wurden schweißnass.
Ich bin hier unter Freunden. Das hier ist keine Vorstandssitzung. Sag einfach, was Sache ist.
Er holte tief Luft und sprach dann langsam und deutlich, so dass ihn auch der Letzte verstand.
»Manuel und ich, wir haben eine Karte vom Hauptquartier der Front hier in Kolumbien. Habt ihr Zugang zu Waffen?«
Eine Welle verhaltenen Gelächters ging durch den Raum.
»He, wir sind hier in Kolumbien«, sagte Manuel mit einem trockenen Lächeln. »Was hast du erwartet?«
»Okay«, sagte Nathan, der darauf ebenfalls lächelte. »Folgender Plan.«
Kapitel 79
Bogotá, Kolumbien
16. April 2011
Amonite wartete nicht gern, schon gar nicht auf einen falschen Hund wie diesen Evans. Nicht genug dass er mit ihrer Lieferung Black Coke verschwunden war, kam er doch tatsächlich winselnd wieder angekrochen und bat um ein Treffen. Sie stand gegen die Flanke eines Lagerhauses gelehnt. Es gehörte zu einem Mitte der 1990er-Jahre aufgelösten Gewerbegebiet. Durch Löcher im Wellblechdach tropfte der Regen; die Wände waren mit obszönen Graffiti beschmiert. Metallschrott stapelte sich bis unters Dach. In einer Ecke standen die ausgebrannten Wracks dreier Trucks. Die ganze Halle stank nach Abfall und Öl.
»Schon eine Spur von ihnen?«, fragte Amonite das Mikro unter ihrem Kragen.
»Bisher nicht, Boss«, antwortete Dex auf die für ihn typische knappe Art.
»Pünktlich ist er auch nicht. Kein Wunder, dass die ganze Insel den Bach runtergeht.«
Sie widmete sich wieder dem Gedanken, wie sehr sie diesen Elijah Evans hasste. Er hatte sie bis auf die Knochen blamiert. El Patrón war nicht zufrieden mit ihr. So etwas war nicht zu verzeihen.
Das Brummen mehrerer Motoren war zu hören.
»Wartet auf mein Signal«, sagte Amonite.
Sie steckte den Ohrhörer in die Tasche und trat an das Tor des Lagerhauses. Ein Konvoi aus vier schwarzen SUVs kam schliddernd auf dem Parkplatz vor der Halle zum Stehen. Vier Jamaikaner mit Mac 10-Maschinenpistolen sprangen aus dem ersten, zweiten und vierten der Fahrzeuge. Elijah humpelte aus dem dritten, eine Kalaschnikow über den gebeugten Schultern.
»Amonite, schön dich zu sehen«, murmelte er, die Brauen gefaltet, während er ihr seine knorrige Hand entgegenhielt.
»Gleichfalls.«
Amonite zeigte ihm ihr breitestes, freundlichstes Grinsen, ignorierte jedoch seine Hand. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und bugsierte ihn in die Lagerhalle.
Elijah warf ihr einen Seitenblick zu. »Wir hatten da einige
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