Schwarzer Koks (German Edition)
dieses Namens schien eine physische Reaktion bei ihm auszulösen. Er verspürte eine Beklemmung in der Brust, ein Pulsieren in den Schläfen, eine Mischung aus rasendem Zorn und Angst. Er sah sich wieder auf den Straßen von Juárez und jagte mit einem Team ehemaliger Angehöriger der Spezialkräfte hinter ihr her. Ihr Vermittler lockte sie in eine Falle. Amonite tötete seine Kollegen. Alle. Nathan verschleppte sie in ihre Folterkammer, aus der er knapp mit dem Leben davongekommen war.
»Nathan?«, sagte Cedric. »Alles in Ordnung?«
Nathan schlug die Aktenmappe auf. Darin waren Fotos von Amonite beim Verlassen eines Pubs. Ein schlecht gemaltes Schild, auf dem es »White Lion« hieß, hing schief über der Tür.
»Ich habe gesehen, wie man sie in Mexiko getötet hat«, sagte Cedric. »Du warst dabei. Du hast es doch auch gesehen. Wir haben das nicht geträumt.«
»Ich habe der mexikanischen Polizei nie getraut«, sagte Nathan. »Sie konnten sie durch jemanden ersetzt haben. Eine Kleinigkeit für die.«
»Aber was macht sie hier?«
»Ziemlich offensichtlich, nicht? Das Imperium der Front erweitern. Ist das das Pub, in dem vorgestern die Leute umgebracht wurden?«
Cedric nickte. »Das Drogendezernat der Met ließ es observieren. Sie sind hinter Tony Maxwell her, einem großen Crackdealer in North London mit Dutzenden von Häusern. Amonite ging rein, erschoss alle außer Tony und verschwand wieder.«
»Und die Met hat sie einfach gehen lassen.«
»Die wussten ja nicht, wer sie war. Dass dort geschossen worden war, haben sie erst gemerkt, als Tony rausgestolpert kam und Fersengeld gab.«
Nathan stöhnte. »Inkompetenter Haufen.«
»Sie haben jetzt jemand anderen mit den Ermittlungen betraut. Steve Willinston. Guter Bulle. Lässt sich nichts bieten von dem Gesocks da draußen. Solltest mit ihm reden.«
»Okay, Boss.« Nathan reagierte nicht auf die untypische Ausdrucksweise seines Chefs. »Was ist mit meinen Proben aus Kolumbien? Sind die Testresultate schon da?«
»Bald.«
Cedric stand auf und ging hinaus. Nathan ging an seinen Schreibtisch. Er fand eine E-Mail von Caitlin.
Hast du die Beförderung?
Nathan hatte das gar nicht angesprochen; er hatte es vergessen. Und Cedric hatte auch nichts gesagt. Er löschte die Mail und suchte aus der SOCA-Datenbank Steve Willinstons Nummer heraus.
»Kann die SOCA sich ihre Schurken nicht selber fangen?«, sagte Steve, nachdem Nathan sich vorgestellt hatte.
»Ich versuche Amonite Victor zu schnappen.«
»Da könnten Sie genauso gut den Unsichtbaren fangen wollen.«
»Hören Sie, wir müssen uns treffen. Was wäre unser bester Ansatzpunkt?«
»Tony Maxwell. Wenn jemand etwas über Amonite Victor weiß, dann er.«
Sie vereinbarten ein Treffen für den nächsten Tag.
Innerlich völlig taub, starrte Nathan ausdruckslos auf seinen Monitor. Eine E-Mail poppte vor ihm auf. Als Betreff hieß es: »Drogen und Entwicklung: ein Teufelskreis«. Es handelte sich um einen Artikel von Nick Crofts im
Guardian
. Crofts war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Melbourne. Laut Crofts markierte 2011 das fünfzigste Jahr im Krieg gegen Drogen. Nathan meinte nicht richtig zu sehen. Fünfzig Jahre? Und was hatte man dafür vorzuweisen? Korruption auf allen Ebenen, ein nie gekanntes Ausmaß von Gewalt, ganze Länder am Boden zerstört. Und mit schöner Regelmäßigkeit tauchten neue Gruppierungen wie die Front 154 auf.
Er las den Artikel. Crofts zufolge bilden Konflikt, Armut und Drogenhandel einen komplexen Teufelskreis: Unterentwicklung fördert Konflikte, die den Drogenhandel befördert, der profitabel genug ist, um zu neuen Konflikten, eine der wesentlichen Ursachen von Armut, zu führen. Crofts Ansicht nach würden die Drogenbehörden gut daran tun, ihr Augenmerk über die eindimensionale Realität der Drogenproduktion hinaus auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktoren dahinter zu richten.
Nathan legte die Datei in einem Verzeichnis mit dem Titel »Legalisierung, Argumente pro« ab, in dem er bereits die jüngste Coverstory des
Economist
hatte, in der es um die verheerenden Auswirkungen des Drogenkriegs auf Mittelamerika ging. Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick über die Kollegen im Großraumbüro schweifen, die entweder vor sich hin tippten oder am Telefonieren waren. Verschwendeten sie hier alle nur Zeit und Geld?
Er wandte sich wieder seinem Computer zu und suchte nach weiteren Informationen über die Front. Auf der Website der
New York
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