Schwarzer Koks (German Edition)
sich hinzulegen und es morgen erneut anzugehen.
Er fand seinen Rucksack unter dem Tisch. »Ah, hier ist er ja.«
»Kommst du?«
Steve starrte auf den Stadtplan. Er hatte die Fäuste geballt.
»Steve?«
»Verstärkung ist für Weicheier.« Steve schlug sich mit der Faust in die offene Hand. »Okay, gehen wir’s an. Fangen wir mit dem in der Old Street an. Ist am nächsten.«
»Nein, ich geh besser nach Hause.« Nathan zog die Jacke an. »Caitlin wird sich Sorgen machen.«
»Eben warst du noch Feuer und Flamme.«
»Und du hast mir eben noch gesagt, ich soll schlafen gehen.«
»Ich hab’s mir anders überlegt. Man soll das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Ich setz dich danach zu Hause ab.«
Nathan rieb sich die Augen. Jetzt, wo sich die Aufregung des Tages gelegt hatte, sagte sein Bauchgefühl ihm, dass das ein Fehler war.
»Ob’s dir schmeckt oder nicht, ich geh trotzdem«, sagte Steve und ging zur Tür. »Dem fetten Sack eine Lektion erteilen.«
Nathan eilte hinter Steve aus dem Zimmer und durch den Eingangsbereich, wo der wachhabende Sergeant gelangweilt Strichmännchen auf einen Block malte.
»Warte.« Nathan griff nach Steves Arm. »Morgen.« Steve schüttelte ihn ab. »Ich mach das jetzt.«
Der Sergeant vom Dienst warf ihnen einen neugierigen Blick zu, als Steve die Wache verließ. Nathan lief ihm nach. Er konnte Steve das unmöglich alleine durchziehen lassen. Auf dem Parkplatz stiegen sie in Steves unmarkierten Dienstwagen. Augenblicke später rasten sie die City Road hinab Richtung Old Street.
Kapitel 16
East London, England
9. April 2011
Es war mittlerweile Samstagmorgen. Rund um die Old Street kamen schreiend und kreischend Betrunkene aus den letzten noch geöffneten Clubs und Bars. Der eine oder andere übergab sich. Zwei Typen mit kahlrasierten Schädeln hatten sich in der Wolle; drei Streifenpolizisten versuchten dazwischenzugehen. Der Gehsteig war mit den Scherben zerschlagener Bierflaschen übersät. Direkt vor ihnen tanzte eine Gruppe von Mädchen in Miniröcken mit halbvollen Weinflaschen um einen Laternenpfahl. Sie sangen und schrien.
»England auf Sprit, eh?«, meinte Steve grinsend.
Nathan zuckte die Achseln. Die Entscheidung der letzten Regierung, die einschlägige Gesetzgebung zu lockern, war völlig fehl am Platz, ja töricht gewesen. Rund um die Uhr trinken zu können, war keine gute Idee in einem Land, in dem man sich regelmäßig ganz bewusst volllaufen ließ.
Steve bog in eine Nebenstraße. Er bugsierte den Wagen in eine enge Parklücke und sprang hinaus. Dann hatten sie es vor sich, eine Beleidigung für das Auge: die Fenster zugemauert, die Wände mit Graffiti verschmiert. Es ging zu wie in einem Ameisenhaufen. Zur Haustür, die ständig auf und zu ging, drang Tanzmusik heraus.
Nathan ging voran durch den Vorgarten. Seine Hände schwitzten und das Herz raste ihm in der Brust. Dass zwei Cops in Zivil mitten in der Nacht eine Party in einem Crackhaus sprengten, konnte nur im Desaster enden. Er hatte Steve im Auto noch ein letztes Mal zum Umkehren zu bewegen versucht, aber das hatte den Kollegen nur noch sturer gemacht.
Er erwischte die Tür gerade noch, als einer der Cracker das Haus verließ. Er schlüpfte hinein und sah sich einem schwarzen Gorilla mit einem roten Tuch um den Kopf gegenüber, der einem Hiphopvideo entsprungen schien.
»Willst du zu Ricky oder zu Bigboy?«, fragte der Türsteher, eine Zigarette zwischen den Lippen. Er beugte sich auf seinem weißen Plastikstuhl vor.
Nathan ignorierte ihn. Er schob sich vorbei. Steve kam gleich hinterdrein. Die dicken Rauchschwaden stachen in der Lunge und brannten in den Augen. Rund um sie herrschte ein Gewusel aus Leuten mit tellergroßen, blutunterlaufenen Augen. Man rief, schrie, stritt sich. Ein junger Mann mit einer blauen Kappe saß gegen die Wand gelehnt, die Augen geschlossen, eine Nadel im Arm. Am Fuß der Treppe fellierte eine hagere Prostituierte einen elegant gekleideten Dicken, der an einer Crackpfeife zog.
»Reizend«, sagte Nathan.
Eine Hand griff nach seiner Schulter. »Was willst du, Mann? Ricky oder Bigboy?«
Steve stieß den Türsteher gegen die Wand. »Lass du mal schön die Finger weg, Sportsfreund«, zischte er, bevor er sich wieder entspannte. »Wo ist Tony?«
»Okay, chill.« Der Türsteher hob die Hände. »Bigboy ist oben.«
Nathan sah sich in der Diele und im Wohnzimmer um. Die Wände hatten klaffende Löcher. Jemand hatte die Möbel zerschlagen.
»Eine rivalisierende Gang,
Weitere Kostenlose Bücher