Schwarzer Koks (German Edition)
viele Samstage zugebracht, um für seine Dissertation die internationalen Drogennetze zu kartographieren. Jetzt war er wieder dort, im Lesesaal für Sozialwissenschaften; selbst sein alter Holztisch schien noch da zu sein.
Und er hatte einen ähnlichen Stapel Bücher und Zeitschriften vor sich auf dem Tisch.
Er nahm
Drug Smugglers on Drug Smuggling: Lessons from the Inside
zur Hand. Die Autoren waren ein Kriminologe und eine Sozialwissenschaftlerin. Sie waren in die Hochsicherheitsgefängnisse der USA gegangen, um hochrangige Drogenschmuggler zu befragen: Wie minderte man das Risiko, erwischt oder gelinkt zu werden oder eine Lieferung zu verlieren. Das Titelfoto zeigte allem Anschein nach eine beschlagnahmte Ladung Koks.
Nathan blätterte, bis er das Kapitel über Transportmethoden gefunden hatte. Viele Schmuggler benutzten Hummer- oder Krabbenboote, um ihre Drogen in die USA zu bringen, vor allem wenn es um Marihuana ging. Im Gegensatz zu den Schnellbooten mit ihren PS-starken Motoren war diese Art von Wasserfahrzeugen anonym. Nicht selten verfügten sie über eingebaute Verstecke, in denen sich bis zu 400 Kilo unterbringen ließen. Kokainschmuggler dagegen schienen Jachten und Segelboote zu bevorzugen, in denen sich größere Entfernungen zurücklegen ließen. Und es ließen sich größere Verstecke einbauen. Einige Drogenschmuggler waren der Ansicht, dass Vollzugsbeamte nur ungern eine teure Jacht auseinandernahmen – im Gegensatz zu einem billigen Krabbenboot.
Der größte Teil des Drogenschmuggels vor der amerikanischen Küste ging nachts über die Bühne, meist über Häuser in Südflorida oder die Florida Keys. Einer der Schmuggler hatte mit drei Booten gearbeitet: eines für die Drogen, eines als Backup für den Fall, dass das erste ausfiel, und eines für Ablenkungsmanöver. Andere fuhren paarweise für den Fall, dass eines der Boote Probleme bekam. Wieder ein anderer schaffte seine Drogen vorzugsweise mittags an Land – da war die Küstenwache zu Tisch.
Nathan lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Erst wenige Monate zuvor hatte man eine Bande von Drogenschmugglern dafür weggesperrt, eine halbe Tonne Kokain nach England zu bringen, an Bord einer seetüchtigen Jacht. Sie hatten keine Verbindungen zur Front gehabt, aber es bestätigte, was die Autoren des Buches über den Drogenschmuggel festgestellt hatten: dass Jachten dieser Tage eine der bevorzugten Transportmethoden waren.
Aber wie zum Teufel sollte er die Jachten identifizieren, die den schwarzen Koks in die Staaten oder nach England brachten, vor allem ohne Unterstützung der SOCA?
Er nahm ein leeres Blatt Papier zur Hand und machte sich einige Notizen.
Ursprung: Putumayo. Produkt: Black Coke. Mutmaßlicher Verteilpunkt: Jamaika.
Mutmaßliche Transportmethode: seetüchtige Jacht.
Bestimmungsorte: Florida (USA) und ? (England).
In Nathans Hinterkopf begann sich eine Strategie herauszubilden. Cedric hatte Recht. Er musste nach Kolumbien. An der Quelle anfangen. Das war immer die beste Methode. Er musste zurück nach Putumayo und den Drogenschmugglern folgen – über die ganze Lieferkette.
Er suchte sich aus einem Heft von
Nature
den Artikel des ermordeten Genetik-Professors aus Cambridge heraus. Er war mit wissenschaftlichem Jargon gespickt: DNA-Sequenzen, Spleißen, Exons und Introns, Transkription, Proteinbiosynthese, hnRNA, mRNA usw., usf. Er blätterte ein Fachbuch über die genetische Manipulation von Pflanzen durch. Es beschrieb die Herausforderungen bei Design, Anbau und Reproduktion genetisch manipulierter Pflanzen und ging dann über zu einer ethischen Debatte darüber, ob der Mensch bei der genetischen Manipulation der Natur nicht womöglich Gott spiele.
Das war ja alles recht interessant, technisch wie philosophisch. Aber konkrete Spuren bot ihm das nicht.
Er holte seinen Laptop heraus und ging online. Er fand einen Artikel in
Wired
vom November 2004, der der Frage nach der Möglichkeit von genetisch manipuliertem Kokain nachging. Das war doch schon eher was. Wissenschaftler hatten etwas identifiziert, was sie als CP4 bezeichneten: ein Gen, das gegen Glyphosat-Herbizide resistent war. Der Journalist von
Wired
überlegte, ob der Anbau von
Boliviana negra
, einer gegen diese Herbizide resistenten Koka-Sorte, nicht vielleicht durch Einbringen dieses CP4-Proteins zustandegekommen war. Tests jedoch ergaben keinerlei Hinweis auf die Anwesenheit dieses Gens. Der Journalist kam zu dem Schluss, dass
Boliviana negra
wohl eher Ergebnis
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