Schwarzer Koks (German Edition)
ganz genau.«
Einer aus der Crew tippte Joanna auf die Schulter und nahm sie auf ein paar Worte zur Seite. Wahrscheinlich um sie anzumachen, dachte Lucia mit einem Anflug von Eifersucht.
Lucia sah sich um. Einen zornigen Ausdruck auf dem künstlich gebräunten Gesicht, schritt Sir George auf sie zu. Sie wandte sich ab, aber es war zu spät.
»Glauben Sie ja nicht, dass Sie mir damit davonkommen«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Ihre alberne kleine Kampagne mag im Augenblick auf einer Erfolgswelle schwimmen, aber halten wird sie sich nicht.«
»Ach ja? Wer sagt das?«
»Jemand, der weit mächtiger ist, als Sie sich das in Ihrem hübschen kleinen Köpfchen vorstellen können.«
»Soll das eine Drohung sein?«
»Nehmen Sie es als sachte Warnung.«
Lucia stieß Sir George so heftig mit dem Zeigefinger vor die Brust, dass er überrascht zurückwich. »Jetzt hören Sie mir mal zu,
Mister
. Ihre mächtigen Freunde sind mir genauso scheißegal, wie dass Sie hier mit Ihrer Rambo-Rhetorik auf dicke Hose machen. Sagen Sie Ihrer Regierung, wo sie sich ihre Drogenpolitik hinstecken kann. Der Krieg gegen Drogen ist verloren. Finden Sie sich damit ab.«
»Es ist nicht meine Regierung, vor der Sie sich in Acht nehmen sollen, junge Dame. Hören Sie auf meinen Rat. Geben Sie Ruhe, bevor es zu spät ist.« Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte davon wie ein Soldat bei einer Parade.
»Was war denn hier los?«, wollte Joanna wissen, als sie wieder auf Lucia zutrat. »Du machst mir doch nicht etwa den Feind an.«
»Wohl kaum.«
»Was wollte der denn?«
»Hat sich nur verabschiedet.«
»Und schon sind wir dem nächsten großen Tier auf den Schlips getreten.« Sie reichte Lucia ihre Lederjacke. »Na komm, gehen wir, bevor du
noch
eine Szene machst.«
Kapitel 28
Acton Town, England
12. April 2011
Nathan ließ die Tür seines Hotelzimmers hinter sich zuknallen. Er drückte einen Schalter. An der Decke erwachte eine Birne zum Leben, dessen Licht ihre liebe Mühe damit hatte, auch nur die Mitte des Raums zu erhellen. Er warf den Rucksack auf das Bett, wo er mit einem Bums landete, als wäre er auf einen Betonsockel geknallt. Das Zimmer roch nach schalem Schweiß wie die Umkleide einer Boxhalle nach einer zweistündigen Sparringsession. Das Bettzeug war zerkrumpelt, schmierig und voller Flecken. Die Wände strotzten vor Graffiti, Andenken an die Horden junger Rucksacktouristen, denen diese Kellerzelle in Londons Südwesten Sprungbrett für größere Abenteuer gewesen war.
Nathan checkte das Fenster. Es war vergittert und führte hinaus auf graues Mauerwerk, die Scheibe hatte einen Sprung. Von der Straße darüber drang ein Lichtstrahl in das eisige Zimmer; Staubflocken tanzten in seinem schier unheimlichen rötlichen Licht. Eine Düsenmaschine röhrte über die Stadt. Heathrow war nicht sehr weit.
Er legte sich aufs Bett und zog die Füße an. Er schob den Rucksack als Kopfkissen gegen die Wand. Wenn er nur schlafen und alles vergessen könnte…
Er schüttelte den Kopf. Wieder wählte er die Nummer, die Cedric ihm für den Notfall gegeben hatte.
Es klingelte. Und klingelte.
Er ging ins Bad. Er schrubbte sich in dem braunen Wasser des Waschbeckens die Hände. Sie rochen noch immer nach Blut.
Caitlins Blut.
Siedend heiß stellte sich ihr Bild wieder ein. Wie sie dagelegen hatte: die durchschnittene Kehle, die verstümmelte Brust, nach wie vor blutend, Tropfen ihres Bluts auf dem Boden.
Er setzte sich auf die Bettkante. Er wollte, dass der Sturm in seinem Kopf sich legte. Amonite war ihm in die Bibliothek gefolgt, hatte ihn aber nicht umzubringen versucht. Warum? Hatten Sie ihn nur abschrecken wollen?
Er legte sich zurück. Mit tiefen Atemzügen versuchte er seine Gedanken loszulassen, versuchte sich zu entspannen, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Aber sie waren einfach zu stark. Er hätte noch nicht einmal sagen können, ob er nun wütend war, verzweifelt, traurig oder alles zugleich. Das erste Mal, dass er sich so gefühlt hatte, das war nach dem Tod zweier Kameraden in Sierra Leone gewesen. Nur dass das hier noch schlimmer war. Sie waren Soldaten gewesen. Sie wussten, was sie erwartete.
Er setzte sich auf und ging unter die Dusche. Spotzend kam etwas Wasser heraus. Er griff sich ein dünnes Stück Seife vom Waschbecken und schrubbte sich, bis er am ganzen Körper rot war. Während er sich abtrocknete, begann ein Plan Gestalt anzunehmen. Er zog Hemd und Hose über, griff dann nach dem Telefon.
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