Schwarzer Koks (German Edition)
Noch immer zitterte ihm die Hand.
»Manuel?«
»Nathan! Warum hast du dich nicht mehr gemeldet?«
»Ich komme zurück. Wo bist du denn?«
»In Bogotá. Ich treffe mich mit Leuten aus der Campesino-Bewegung.«
»Wie lange wird das denn dauern?«
»Zwei Tage. Dann geht’s wieder nach Putumayo.«
»Okay«, sagte Nathan. »Wir treffen uns dann in Bogotá.«
»Stimmt was nicht?«
Nathan hatte sofort einen Kloß im Hals.
»Nathan?«
»Alles in Ordnung. Ich möchte nur das eine oder andere checken. Dazu muss ich noch mal rüber.«
»Es gibt da jemanden, den du kennen lernen solltest. Sie kann helfen.«
»Wer denn?«
»Kann ich am Telefon nicht sagen. Ruf mich an, wenn du da bist.« Nathan legte auf. Er sah auf die Uhr: 1.30. Er stellte den Alarm auf halb sieben. Er bezweifelte, dass er einschlafen würde, aber jedes bisschen Ruhe würde ihm guttun.
Sein Telefon summte.
»Nathan? Cedric. Wo zum Teufel steckst du?«
»Sie ist tot.«
»Was ist passiert?«
»Garrottiert. Aufgeschlitzt. Wie ein Tier.«
»Nathan, hör mir zu.«
»Ich hab sie im Stich gelassen, Cedric. Ich habe total versagt.«
»Hör auf!« Cedrics Stimme hatte plötzlich etwas Eisiges. »Du drehst wieder durch.«
»Das werden die mir bezahlen.«
»Auf gar keinen Fall!«
»Sag du mir nicht, was ich tun soll. Nicht jetzt. Nie wieder.«
»Komm ins Büro. Wir reden drüber.«
»Nein.«
»Ich halte meine Hand über dich.«
»Ha! Du erwartest doch nicht, dass ich dir das abkaufe, so wie George sich aufspielt.«
»Um George kümmere ich mich. Aber du musst reinkommen.«
Eine Migräne schoss Nathan in den Kopf wie eine Machete in einen Baum. Sein Blick wurde unscharf.
»Nathan, du musst mir vertrauen. Scotland Yard ist hinter dir her.«
»Warum?«
»Ich sollte dir das nicht sagen.«
»Sag schon.«
»Der Angriff auf Steve. Für die bist du tatverdächtig.«
»Das war George, dieser Schweinepriester!«
»Und noch was, Nathan. Sie haben Caitlin gefunden. Deren Ansicht nach bist
du
das gewesen.«
Nathan schleuderte das Telefon durch das Zimmer. Es krachte gegen die Wand, die Splitter flogen durch den kleinen Raum. Er brach auf dem Bett zusammen. Er schloss die Augen. Alles drehte sich. Sein Magen spielte verrückt. Ihm war, als drehte ihm jemand das Gehirn durch den Wolf. Ein tiefes, zorniges Schluchzen schüttelte ihn. Er würde sich das nie verzeihen.
Er nahm sich zusammen und setzte sich auf. Er brauchte jetzt einen klaren Kopf. Er musste auf seine Ausbildung bei den Spezialkräften zurückgreifen und diese mit seinen Kenntnissen in Kriminalpsychologie bündeln. Wenn sich einer pathologischen Kriminellen vom Schlage einer Amonite Victor überhaupt beikommen ließ, dann nur so.
Er ging ins Bad und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Er sammelte die Trümmer seines Telefons ein und warf die SIM-Karte in die Toilette. Schließlich nahm er seinen Rucksack vom Bett, bezahlte an der Rezeption und ging hinaus in die kalte Stadt.
Kapitel 29
Bogotá, Kolumbien
12. April 2011
Die Vorstandsmitglieder rund um den Tisch starrten Lucia an. Der Ausdruck auf ihren Mienen reichte von milder Skepsis bis hin zu totaler Fassungslosigkeit. Octavia Glosserto blickte sie so finster an, dass ihre Brauen schier die schnabelartige Nase berührten. Sie sah aus wie eine übergewichtige böse Fee.
Lucia verkniff sich das Kichern, mit dem sie auf ihre Frustration reagierte, um nicht zu schreien. Der einzige, der sie nicht anfunkelte, war Max Narding, der feiste Kassenwart mit dem Babygesicht. Der schlief gerade sanft ein.
»Was soll ich sagen?«, fragte Lucia, nur um das peinliche Schweigen zu brechen.
»Es ist mir schleierhaft, warum Sie da mit fliegenden Fäusten reingehen mussten.« Octavia stieß einen Seufzer aus, der sich anhörte, als ließe jemand Luft aus einem Ballon. »Das Ganze ist ein PR-Desaster.«
»Ach, kommen Sie, jetzt übertreiben Sie aber.«
»Joanna hat mir die E-Mails gezeigt. Unsere Geldgeber sind alles andere als begeistert, gelinde gesagt.« Octavia klappte ihre Lesebrille auf und setzte sie auf die Nasenspitze, von wo sie jeden Augenblick herunterzufallen schien. Sie holte ein Blatt Papier aus ihrer schwarzledernen Aktentasche.
»Hören Sie sich die hier an«, sagte sie. »Sie ist von Vera Abramo, der Frau des millionenschweren IT-Geeks.« Sie räusperte sich.
»Liebe Octavia, ich fand die Debatte auf Caracol TV gestern Abend ausgesprochen enttäuschend bei all dem Geschrei, von der Sprache ganz zu schweigen. Mit so
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